Als Aus- und Weiterbildungszentrum ist die Richemont Fachschule schweizweit bekannt. Dass hier auch der Dreikönigskuchen erfunden wurde, erfährt, wer mit dem köstlichen Bäckerzmorge in den Samstag startet.
Der 6. Januar ist weit weg. Niemand denkt bei diesen frühlingshaften Temperaturen daran, in einem Stück Hefegebäck ein weisses Plastikfigürchen zu finden. Und doch steht dieser Vormittag ganz im Zeichen von Brot, Getreide sowie dem traditionellen und für die Branche äusserst wichtigen Dreikönigskuchen.
Gleich zu Beginn hält Jonas Seifert, Leiter Gastronomie, fest: «Bei uns im Richemont gibt es an den Wochenenden ein Bäckerzmorge, keinen Brunch. Selbstverständlich machen auch die Fleisch- und die Käseplatte gluschtig, aber eine Röschti servieren wir nicht.» Die leise Enttäuschung weicht grosser Begeisterung, als wir uns dem Buffet nähern.
Die Brotauswahl ist riesig. Die einzelnen Waffeln, Pancakes und Schoggi-Haselnuss-Cakes sind so mini, dass man von allen ein Stück probieren mag. Und am Müesli-Buffet lässt eine Handmühle mein Knusperherz höherschlagen. Sie zieht mich als Müesli-Junkie magisch an. Eine mit Birchermüesli gefüllte Schale suche ich vergebens. Hier darf ich selbst «müesle»: Dafür stehen acht Weckgläser bereit, gefüllt mit hausgemachtem Crunch, Kokos- und Bananenchips, Mandeln oder Apfelringen. Daneben präsentieren sich zwölf Flaschen mit verschiedenen Körnern und Samen, darunter Einkorn und Emmer sowie Quinoa, Mohn, Leinsamen oder Kürbis- und Rapskerne. Sie alle kann ich in der gewünschten Menge selbst mahlen und mir so meine ganz individuelle Kombination zusammenstellen. Genial!
Von der gediegenen Brotauswahl …
Ich wende mich der unglaublichen Auswahl zu: zehn Grossbroten, jedes mit drei, vier abgeschnittenen Scheiben, und einem grossen Korb mit sieben verschiedenen Brötchen. Die junge Frau, die gerade weitere Scheiben schneidet, heisst Florence Strebel. Sie ist Bäcker-Konditorin und QS-Verantwortliche bei Richemont. «Die Gäste interessieren sich sehr für die verschiedenen Brotsorten, deren Inhaltsstoffe oder für die jeweiligen Teigruhezeiten», erzählt sie mir. «Wir legen grossen Wert darauf, wie wir unsere Brote präsentieren. Indem wir die Brote laufend frisch aufschneiden, schenken wir ihnen die verdiente Aufmerksamkeit. Mehr als die Hälfte unserer Brote enthalten Sauerteig, heute sind es drei reine Sauerteigbrote. Für eine gute Verträglichkeit ruhen die meisten unserer Teige zwischen 12 und 24 Stunden, für die kurzgeführten verwenden wir einen Vorteig.» Interessant: Neben den «Pflichtbroten» wie dem Zopf oder dem hellen Urdinkel sehe ich auch Spezialitäten wie das Inka-Brot, das zum Teil aus Schweizer Quinoa hergestellt wird.
Bei uns gibt es ein Bäckerzmorge, keinen Brunch.
Jonas Seifert
Leiter Gastronomie
… zu den Kleinstbroten
Die Kleinbrote wiegen nur 25 Gramm. «Bei uns soll man möglichst viel Verschiedenes probieren können. Diese kleinen Portionen kommen sehr gut an.» Und alles ist frisch: «Wir haben hier den Vorteil, dass wir jedes Brot einzeln ausbacken und so die Mengen gut anpassen können.» Apropos ausbacken: Wie erklärt sie den Gästen, dass nicht alle Brote in der Nacht frisch gebacken wurden? «Der Frischback-Prozess ist heute Standard. Es ist wichtig, dass man alles richtig macht, damit die Brote stets die gleiche Qualität haben. Wir bieten dafür Kurse an und laden Bäcker und Bäckerinnen ein, sich dieses Wissen anzueignen. Wenn man alles richtig macht, hat für den Gast das Ausbacken keinen Einfluss auf die Qualität oder Verträglichkeit.»
Die kleinen Portionen kommen sehr gut an.
Florence Strebel
Bäcker-Konditorin und QS-Verantwortliche
… und süssen Häppchen
Weiter geht es bei den Süssigkeiten. Die Konditorin-Confiseurin Sina Züger ist heute an der Frontbaking-Station im Einsatz. Soeben spritzt sie acht Portionen Teig für Pancakes aufs Eisen – oder besser gesagt Mini-Pancakes mit einem Durchmesser von gerade mal drei Zentimetern. Auch hier wird immer nur frisch für den Moment produziert. Und plötzlich taucht Florence mit dem grossen Dreikönigskuchen auf: Showtime!
Die Kalkulation der Mengen bleibt etwas Glückssache.
Jonas Seifert
Leiter Gastronomie
… bis zur Krönung
Florence macht mit dem dreissigteiligen Dreikönigskuchen die Runde: «Als Erfinderhaus des heute bekannten Schweizer Dreikönigskuchens krönen wir jeden Samstag drei Könige oder Königinnen. Möchten Sie gern Ihr Glück versuchen? Sollten Sie den König finden, melden Sie sich bei uns.»
Wer das weisse Plastikteil in seinem Brotstück findet, wird im Herbst zu einem Königskuchen-Workshop eingeladen und ist damit ready, wenn der grosse Tag Anfang Januar naht.
Inzwischen bin ich ziemlich satt, mein Teller ist leer. Ich kann einfach keine Resten liegen lassen. Deshalb frage ich Jonas Seifert, wie er kalkuliert und mit Food Waste umgeht. «Die Kalkulation der Mengen insgesamt ist trotz jahrelanger Erfahrung immer auch ein bisschen Glückssache. Wir achten aber darauf, dass wir kontinuierlich frisch backen und alle Buffetbereiche auffüllen. Das ist der Grund, warum nicht nur das Küchenteam, sondern auch das Personal der Bäckerei und Konditorei vor Ort ist. Über die App ‹Too Good To Go› geben wir zudem überschüssige Lebensmittel zu einem vergünstigten Preis an Selbstabholer ab und reduzieren so unsere Reste weiter.» Gegen dreizehn Uhr verabschiede ich mich von Jonas, Florence und Sina. Zwar ohne Krone auf dem Kopf, aber mit einer klaren Vorstellung, wie ich meine eigene Müeslibar einrichten möchte: mit einer Handmühle.
Fotos: Holger Jacob
Richemont
6006 Luzern
Leitung: Reto Fries (Direktor), Markus Zimmerli (stv. Direktor & Leiter Bildung), Urs Meichtry (Konditorei & Confiserie), Urs Röthlin (Bäckerei & Feinbäckerei), Jonas Seifert (Gastronomie)
Anzahl Mitarbeitende: 75
Angebot: Unter dem Dach der Stiftung Richemont firmieren die Fachschule mit der umfassenden Aus- und Weiterbildung für BKC, individuelle Kurse für Firmen und Gruppen, den Gastronomie- und Hotelbereich sowie das Qualitätsmanagement für Rohstoffe und Produkte. Die Richemont Dienstleistungs AG besteht aus dem Eigenverlag mit Büchern, Lehrmitteln, dem Richemont Fachblatt, Broschüren, Software sowie einem umfassenden Beratungsdienst
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