Tina Hauser ist seit Langem professionell in der Welt der Gewürze unterwegs. Sie hat ihre Antworten auf unsere Fragen mit reichlich Leidenschaft und Fachwissen abgeschmeckt. Finden Sie heraus, was bei Gewürzen das Salz in der Suppe ist.
- Tina Hauser ist Gewürz-Sommelière, führte lange ein Gewürzunternehmen und hält Gewürz-Workshops ab.
- Hauser beschreibt Gewürze als Funken im Essen, die verschiedene Noten des Gerichts unterstützen können.
- Sie rät dazu, jenseits der eigenen Würzgewohnheiten mehr Wissen zu erlangen und neue Gewürze auszuprobieren.
- Tina Hauser Winter-Geheimtipp ist der Piment, auch bekannt als Jamaika-Pfeffer, der eine breite Aromenpalette bietet.
Tina Hauser, wie würden Sie die Rolle des Gewürzes im Essen beschreiben?
Das fängt beim Aufbau des Essens an. Ein gutes Gericht hat gute Rohstoffe als Basis, und die Gewürze sind quasi die Funken, die man zum Schluss darübergibt. Man kann es sich vorstellen wie bei einem Parfüm, bei dem man von der Basisnote, der Herznote und der Kopfnote spricht. All diese Noten lassen sich mit Gewürzen unterstreichen. Man kann die Kopfnote am Ende betonen, oder man kann die Basisnote unterstützen. So verleiht man einem Gericht eine besondere Charakteristik, eine persönliche Note. Zusammengefasst kann man sagen: Gewürze geben einer Speise die Seele.
Was halten Sie von Aromat?
Aromat hat absolut seine Berechtigung. Es ist süss, salzig, umami und auch leicht sauer und deckt damit die Geschmacksbereiche der Zunge weitläufig ab – die asiatische Küche macht das seit langer, langer Zeit. Deshalb ist Aromat in so vieler Munde, das kann ich gut nachvollziehen. Manchmal wird Aromat aber auch genutzt, wenn man es sich einfach machen will. Es gibt durchaus kunstvollere Wege und Mittel, die verschiedenen Geschmacksbereiche abzudecken, wenn man die entsprechenden Kenntnisse hat. So lässt sich Aromat sehr gut ersetzen.
Tina Hauser
Ihr Urgrossvater gründete ein Gewürzunternehmen, das auch sie über viele Jahre führte. Sie liess sich zur Gewürzsommelière und Sensorikmanagerin ausbilden und gründete die Appliq food AG, die Konzepte und Produkte für die Lebensmittelbranche entwickelt. Zudem bietet Tina Hauser Gewürz-Workshops an.
In Ihren Workshops kreiert man seine eigene Gewürzmischung. Wie läuft dieser Prozess ab?
Die Basis-Workshops beginnen immer mit einem Einstieg in die Sensorik. Zuerst lernen wir, zu verstehen, was auf der Zunge passiert – salzig, sauer, süss, bitter und umami, das ist die Geschmacksbasis. Im Anschluss daran wird auf die Wahrnehmung der Aromen sowie auf das Zusammenspiel von Geschmack und Aromen sensibilisiert. Dann geht es an die Visionierung eines Ziels: Was will ich mit meinem Gewürz würzen? Manche möchten beispielsweise ihren eigenen «Magic Dust» kreieren. Andere möchten ein Spargelgewürz für den Frühling schaffen. Wieder andere wünschen sich eine eigene Gewürzzubereitung für das Frühstücksei. Die Teilnehmenden haben die Auswahl zwischen mehr als 50 Gewürzen und Kräutern, mit denen sie ihre eigene Charakteristik in ihre Zubereitung hineingeben können.
Wir sind sehr geprägt von unseren Geschmacksempfindungen
Tina Hauser, Gewürzsommelière
In Deutschland und Österreich ist das Brotgewürz verbreitet, in der Schweiz eher nicht. Woran könnte das liegen?
Das sind die Gewohnheiten und die traditionelle Wahrnehmung. Wir sind sehr geprägt von unseren Geschmacksempfindungen. Diese zu erweitern, ist wie ein Training. Wenn ich etwa reisen gehe und einem Brot mit etwas Anis drin begegne oder einem mit Koriander panierten Brötchen, dann braucht es erst einmal den Willen, das zu probieren. Vielleicht empfinde ich das Aroma zunächst als sehr intensiv. Eventuell legt sich danach ein Schalter um und ich sage: Ich mag das. Aber wenn ich etwa mit Ruchbrot aufgewachsen bin, und da ist plötzlich eine Kümmelnote drin, dann empfinde ich die erst einmal als störend. Da braucht es ein Herantasten, eine Bereitschaft, diese neuen Aromen auch in Kombination mit Butter, Käse oder einem süssen Aufstrich zu erleben. Je mehr wir das machen, desto offener und neugieriger werden wir.
Wie sollten Schweizer Bäcker:innen vorgehen, die ihr Brot würzen möchten?
Beim Brot sind wir stark geprägt. Darum sollte man sachte vorgehen, wenn man einen Versuch mit Gewürzen startet. Man kann einem Brot eine leichte Würze geben, die die vorhandenen Aromen unterstützt, ohne gleich an ein so stark gewürztes Brot wie in Franken oder im Allgäu zu erinnern.
Wo können Gastronom:innen ansetzen, wenn sie mit Gewürzen mehr aus ihrem Angebot machen wollen?
Es lohnt sich, Know-how zu sammeln, Weiterbildungen im Gewürzbereich zu machen. Egal, ob wir in der privaten oder in der Gastroküche würzen, wir werden irgendwann von unseren Gewohnheiten gelenkt – der Alltag ist durchgetaktet, und wir tendieren zu den eingespielten Handgriffen. Der Fokus wird schmaler. Da braucht es hin und wieder Inputs, die unseren Blick erweitern und uns neue Gewürze und Kräuter entdecken lassen. Es lohnt sich, zu Fachliteratur zu greifen und mit Mut zu würzen, also auch einmal ungewohnte Kombinationen zu wagen. Dazu möchte ich die Gastronom:innen ermutigen. Man muss die gewohnten Griffe nicht abschaffen. Aber es dürfen mehr da-zukommen. Hier ist Weiterbildung gefragt.
Was fällt Ihnen in Sachen Gewürze hin und wieder negativ auf, wenn Sie auswärts essen?
Das Salz ist immer wieder ein Thema. Vieles ist sehr stark gesalzen, was verschiedene Gründe hat. So machen die vielfältigen Aromen der Gewürze keine Freude mehr. Manchmal sind Gerichte auch sehr scharf. Da wird teils unterschätzt, dass sich die Schärfe während des Essens laufend steigert. Das sehe ich nicht nur, wenn ich auswärts esse, sondern auch bei Snacks.
Was könnte der Grund dafür sein?
Das kommt oft daher, dass Degustations-panels zu wenig berücksichtigen, dass man ja jeweils ein ganzes Gericht isst oder einen Drittel oder die Hälfte einer Packung. Ist eine Schärfe vorhanden, baut sie sich laufend auf. Wenn im Degustationspanel nur einige Bissen oder Chips degustiert werden, scheint die Schärfe in Ordnung zu sein. Denken wir aber daran, dass wir eine ganze Mahlzeit davon essen, wird es dann bisweilen zu scharf oder anderweitig überwürzt. Manchmal ist weniger mehr. Das Würzen ist eine sensible Angelegenheit, bei der Degustationspanels wirklich gefordert sind. Da rate ich zu Unterstützung von Gewürz-Sachverständigen. Wenn man ein Gericht wegen der Würze nicht zu Ende essen kann, ist das sehr schade.
Teils wird unterschätzt, dass sich Schärfe während des Essens aufbaut
Tina Hauser, Gewürzsommelière
Zum Schluss: Was ist Ihr winterlicher Gewürz-Geheimtipp?
Was immer wieder in Vergessenheit gerät, ist der Piment, auch bekannt als Jamaika-Pfeffer – eigentlich ein altmodisches Gewürz, heute aber langsam wieder «en vogue». Entdeckt wurde er damals von Christoph Kolumbus, der sich freute, weil er dachte, er hätte Pfeffer entdeckt – Pfeffer war im 15. Jahrhundert unglaublich teuer. Es handelte sich aber um Piment, der dem Pfeffer mit seinen Beeren sehr ähnlich sieht. Der Jamaika-Pfeffer deckt eine sehr breite Aromenpalette ab: Da finden sich eine Zimt-, eine Nelken- und eine Muskatnote sowie eine leichte Schärfe. Mit vier weiteren Gewürzen stelle ich daraus ein «Chai Spice» her, das sich für ein Getränk, aber auch für Poulet oder einen Dip sowie Desserts und Süssgebäck eignet.
Bilder: Copyright© azibene Ariane Totzke