Christian Ecoeur kämpft gegen das Wegwerfen von Lebensmitteln. Als Coach von United Against Waste unterstützt er Betriebe dabei, Optimierungen rund um Food Save zu erarbeiten. Seine Überzeugung: Wird die Produktion verbessert, sinken Kosten und Abfall.

In der Schweiz werden jedes Jahr rund zwei Millionen Tonnen Lebens­mittel weggeworfen. 13 Prozent da­von fallen in der Gastronomie an. Herr Ecoeur, warum engagieren Sie sich so stark gegen Food Waste?
Wegen meiner Zukunft und der meiner Familie. Momentan haben wir ein System von Überproduktion und wenn wir nichts dagegen unternehmen, wird es in den nächsten paar Jahren schwierig. Es ist ein Fehlverhalten gegenüber unserem Beruf, dass wir Profis täglich zu viel und im Grunde direkt für die Biogasabfallanlagen produzieren.

Welches sind die Hauptursachen?
Die Portionsgrössen sind dieselben wie vor 20 Jahren. Obwohl wir wissen, dass die Gäste inzwischen weniger oder anders essen. Erst seit über die enormen Mengen von Lebensmittelverschwendung gesprochen wird, sind Betriebe sensibilisiert und merken, dass 50 Prozent des Lebensmittelabfalls beim Tellerrücklauf anfallen. Dafür gibt's zwei Gründe: zu grosse Portionen oder ungenügende Qualität. Oft liegt's an der Portionsgrösse.

Zur Person

Christian Ecoeur

Der gebürtige Walliser absolvierte seine Kochlehre in Mothey. Danach arbeitete er als Küchenchef in unterschiedlichen Gastronomiebetrieben. Ausserdem erzielte er an zwei aufeinanderfolgenden Kochweltmeisterschaften Top- Ergebnisse. Seit 2012 führt er das Beratungsunternehmen NCN Ecoeur Consulting mit dem er gelegentlich auch Kocheinsätze hat. Als Coach von United Against Waste (UAW) ist er spezialisiert auf die Optimierung von gastronomischen Betrieben in Bezug auf Food Save. Abschalten kann er auf dem Golfplatz oder dem Mountainbike wie auch beim Kochen für seine Familie. Ab und zu ist er zudem als Mystery Restaurantgast im Einsatz.

Zu welchen Themen beraten Sie Unternehmen?
Oftmals zu zwei Themen: Die Reduktion von Food Waste, also Lebensmittelverschwendung, und die Optimierung der Produktion – beide sind nah beieinander. Denn: Wird die Produktion optimiert, reduzieren sich automatisch auch die Lebensmittelabfälle. Ausserdem sinken die Personalkosten und auch die Energie- und Entsorgungskosten sind tiefer.

Also eine Win­-win ­Situation?
Ja, und doch passiert diesbezüglich aktuell zu wenig, auch wenn viel darüber gesprochen wird. Auf der anderen Seite sind die Betriebe immer stärker unter Kostendruck, Budgets werden gekürzt und die Warenkosten müssen sinken. Die einzige Möglichkeit, noch Geld zu sparen oder die Marge zu erhöhen, bietet die Produktion. Über die letzten drei bis vier Jahre haben wir [UAW; Anm. d. Red.] circa 200 Analysen in Betrieben durchgeführt. Bei allen ergab sich ein einheitliches Bild: Das Potenzial zur Reduktion von Lebensmittelabfall liegt bei 20–30 Prozent pro Betrieb. Bereits mit kleinen Massnahmen und der Sensibilisierung der Mitarbeitenden sind Verbesserungen möglich. Ich empfehle vielfach, zu Beginn 10 Prozent der Produktion zu reduzieren. Meistens stosse ich auf Skepsis, bis es ausprobiert wird. Es funktioniert: Bei Engpässen kann «à la minute» produziert werden.

Info

UAW

Der Verein United Against Waste (UAW) ist ein Branchenzusammenschluss in der Lebensmittelbranche. Er engagiert sich für die Reduktion von Lebensmittelverschwendung im Ausser-Haus-Konsum. Ziel des Vereins ist es, praxisnahe Lösungsansätze gegen Food Waste zu erarbeiten und diese der Branche zur Verfügung zu stellen. Der Verein hat kürzlich ein digitales Starter-Kit für Hotellerie- und Gastronomie-Betriebe entwickelt.

Zur Website

Was ist Ihre Prognose: Wo stehen wir in fünf Jahren in Bezug auf Food Waste?
Ich persönlich denke, dass es in den nächsten zwei bis drei Jahren einen Wandel geben wird. Die Gastronomie wird sich massiv mit dem Thema auseinandersetzen und ihre Produktion optimieren und damit Food Waste reduzieren.

Haben Sie nebst der Optimie­rung der Produktion noch zwei weitere konkrete Tipps, wie Food Save in Küche und Backstube umgesetzt werden kann?
Das Wichtigste ist, die Portionsgrössen klar zu definieren – im Wissen um die Kundschaft. Und der richtige Einkauf hat auch einen grossen Einfluss auf Food Waste. Wenn ein Betrieb beispielsweise aufgrund der Betriebsgrösse mit geschälten Karotten arbeiten muss, macht es wenig Sinn, ungeschälte einzukaufen.

Wie können Betriebe, die sich bereits gegen Food Waste starkma­chen, ihre Bemühungen gegen­über den Kunden im Lokal oder der Filiale sichtbar machen und kommunizieren?

Darin sind wir als Branche aktuell noch etwas schwach. Wir sind dran, Lösungen zu finden. Für einzelne Betriebe haben wir schon Factsheets oder Tischsteller erstellt mit dem Hinweis, dass Essen bei Bedarf nachbestellt werden kann. Wichtiger ist, dass alle Personen, die Gäste bedienen, mit diesen kommunizieren. So können auch die richtigen Produkte verkauft werden. Solange hingegen das Personal nur zum Gast geht, um die Bestellung aufzunehmen oder einfach serviert, ohne sich zu erkundigen, welche Portionsgrösse gewünscht ist, wird sich nichts ändern. Wir verkaufen Emotionen und dafür braucht's einen Austausch mit den Gästen.

Food Waste beginnt bereits beim Produzenten. Was sind die Gründe?

Wir wissen, dass sehr viel produziert, aber die Hälfte davon nicht konsumiert wird, weil diese Produkte nicht schön kalibriert sind. Damit liegt der Anteil an Food Waste bei den Produzenten bei 40 Prozent. Die Mehrheit der Kundschaft möchte, dass die Produkte, die sie kauft, schön aussehen. Irgendwann müssen Produzenten, aber auch die Grossbetriebe handeln und beispielsweise nicht genormte Lebensmittel günstiger anbieten. Sodass auch bei den Konsumenten ein Wandel stattfindet.

Fotos: Tony Baggenstos

Latifa-Pichler-Autorin-Kirsche

Latifa Pichler

Autorin

Eine Kirsche bleibt auf der Kleidung genauso dauerhaft in Erinnerung wie ein genussvolles Essen.

Tipp

Weitere Inspirationen?

In unserem Blog «Inspiration» finden Sie Trends, Saisonales und Erfolgsgeschichten aus der Branche.

ZUR ÜBERSICHTSSEITE «INSPIRATION»