Brot ist in. Über Brot wird gesprochen. Einer, der das besonders gut kann, ist Professor Michael Kleinert. Er gilt als der «Brot-Professor» im deutschsprachigen Raum. Wir haben mit ihm über Brotqualität und das Zusammenspiel von Bäckerei und Gastronomie gesprochen. 

Faszination Brotwissenschaft – Herr Kleinert, wie kam es bei Ihnen dazu? 
Zunächst einmal ist mir die Liebe zum Brot in die Wiege gelegt worden. Ich bin in einer Bäckerei in Norddeutschland gross geworden. Beide Elternteile, Grosseltern und Urgrosseltern waren Bäcker. Insofern trage ich dieses Erbe gerne und habe daraus meine Leidenschaft entwickelt. Das war der Anfang. Danach habe ich tatsächlich bei meinem Vater Bäcker gelernt und die Meisterprüfung gemacht. Immer wollte ich wissen, was hinter dem Geschmack steckt. Das war einer der Gründe, warum ich mit 27 das Studium zum Lebensmittelingenieur mit Schwerpunkt auf Bäckereitechnologie aufnahm. Und dann ging es weiter so.

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Foto: ZHAW, Frank Schwarzbach

Das Bewusstsein der Konsumenten für hochwertige Backwaren steigt stetig. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung? 
Wir haben gesamtgesellschaftlich das Phänomen, dass wir an einem Informationsüberfluss leiden. Wir fühlen uns belastet, wir verstehen viele Dinge nicht. Die Leute sehnen sich nach Klarheit. Brot ist einfach verständlich. Die Rezeptur – nämlich Mehl, Wasser, Hefe und Salz, aber auch andere Zutaten wie Malzprodukte oder Ascorbinsäure – kann man den Leuten erklären. Die Einfachheit, das Authentische des Brotes. Ich erlebe in den Medien gerade einen wirklichen Hype um das Brot. Dies vor allem, weil es heute den unterschiedlichsten Bäckern, die teilweise auch Quereinsteiger sind, gelingt, Brot attraktiv zu vermarkten. Da denke ich an Beispiele aus Zürich wie John Baker oder den «Newcomer» Seri Wada mit seinen Baguettes oder den «Eigenbrötler» aus Luzern. Aber auch an moderne Bäcker wie Richard Kuhn aus der Ostschweiz. Das sind alles Typen von Menschen, die bei den Konsumenten sehr gut ankommen. Das ist eine grossartige Entwicklung.

Sie sind gegen das Mittelmass und wünschen sich bessere sensorische Fähigkeiten von der Bäckerschaft. Wie gehen Sie das an? 
Wir beobachten bei uns an der ZHAW in den regelmässig durchgeführten Marktübersichten (Benchmark-Tests), dass es immer noch sehr viel Mittelmass gibt. Um dies zu überwinden, braucht es noch mehr Leidenschaft für die Herstellung, also das, was wir Bäcker ja eigentlich gelernt haben. Dann aber auch die Selbstkritik gegenüber den eigenen Produkten. Beides muss wieder zunehmen. Dazu braucht es eine sensorische Grundausbildung. Sensorik heisst aber, man muss sich aus- und weiterbilden und immer wieder trainieren. Und damit hört es noch nicht auf. Denn nur zu wissen, dass das Brot gut schmeckt, reicht heute nicht mehr aus. Man muss es auch kommunizieren können. Über gute Kommunikation können wir Bäcker noch unwahrscheinlich viel lernen. Da sind Veranstaltungen wie zum Beispiel die «Swiss Bakery Trophy» sehr gute Beispiele, um Brot an die Öffentlichkeit zu bringen.

Für die Akademie Deutsches Bäckerhandwerk bilden Sie seit 2015 Brot-Sommeliers aus. Soll mit der Ausbildung zum staatlich geprüften Brotexperten «Weinniveau» erreicht werden?
Auf jeden Fall sollten wir in die Richtung gehen, wie Weinexperten ausgebildet werden. Der Kurs zum Brot-Sommelier setzt mit 480 Stunden neue Massstäbe in der sensorischen Weiterbildung. Das lohnt sich. Die Teilnehmer erhalten nicht nur sensorische Fähigkeiten, sondern erweitern ihr Wissen über die soziokulturelle Bedeutung des Brotes und über die Historie internationaler Brotsorten. Ich halte das wirklich für eine sehr wichtige Ausbildung. Leider ist es uns bisher in der Schweiz nicht gelungen, diesen Kurs durchzuführen. Wir haben zusammen mit Richemont 2013 und 2014 einen Lehrgang «Sensorik-Lizenz Brot» angeboten. Aus meiner Sicht völlig interessant. Aber leider nur mit wenig Resonanz – was ich sehr bedaure.

Welche Anforderungen stellt die heutige Gastronomie an die Bäcker? 
Man muss in der Gastronomie unterscheiden zwischen klassischen Hotels, Restaurants und Systemgastronomie oder Gemeinschaftsverpflegung. Bei Hotels und Restaurants sollte der Bäcker unbedingt berücksichtigen, dass diese Betriebe sehr häufig saisonalen Schwankungen unterliegen. Er muss deswegen bedarfsgerecht liefern können. Und da kann ein Mittel der Wahl die Tiefkühllieferung sein. Dazu muss der Bäcker zwingend den Prozess der Tiefkühlung beherrschen. Was aber noch viel wichtiger ist: Er muss das Küchenpersonal fachgerecht zum Thema Aufbacken schulen. Da kann sehr viel verkehrt gemacht werden. Dann kenne ich gute Beispiele aus Deutschland, wie Bäcker zusammen mit Gastronomen aus ausgewählten Hotels Brot-Genuss-Events durchführen. So erzeugen sie gemeinsam, auf Premium-Niveau, Öffentlichkeit. Mit grossem Erfolg. Immer vor dem Hintergrund, dass einer der grossen Trends Regionalität ist. Der Gast soll wissen, dass das servierte Brot vom regionalen Bäcker und aus regionalen Rohstoffen hergestellt ist.

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Nina Vagli

Autorin

Tütensuppe? Finde ich voll ok.

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