Wer sich in einer Tafelgesellschaft für beste Fischkochkunst einsetzt, muss eine grosse Passion für Fisch haben. Woher diese Passion bei Tafelherr Martin Immenhauser kommt und was er über die Schweizer Fischküche denkt, verrät er im Interview.
Herr Immenhauser, Sie sind Gastronomievertreter bei der Tafelgesellschaft zum Goldenen Fisch. Was genau sind Ihre Aufgaben in dieser Funktion?
Mein Auftrag ist es, die Sichtweise und die Bedürfnisse der Gastronomen im Vorstand der Tafelgesellschaft einzubringen. Aufgrund der Veränderung der Bedürfnisse sind Informationen von der Gastronomenfront gerade in den letzten beiden Jahren sehr wichtig geworden. Es ist entscheidend, dass wir auf die Bedürfnisse unserer Betriebe eingehen. Die Tafelgesellschaft vereinigt ja quasi zwei Welten: Fischanbieter und Fischliebhaber. Derzeit tragen 111 Restaurants oder Hotels unsere Auszeichnung. Zusätzlich haben wir rund 1000 Mitglieder, deren wichtigste Qualifikation die Liebe zum Fisch ist. Ergänzt werden sie durch je eine Hand voll Berufsfischereien und Aquakulturen.
Woher kommt denn diese besondere Liebe? Was macht den Fisch in kulinarischer Hinsicht besonders?
Seine Vielseitigkeit. Die Varietät ist enorm, vom Krustentier über das Weichtier bis hin zum eigentlichen Fisch. Dasselbe gilt für die Zubereitungsmöglichkeiten. Stellen Sie sich Ceviche vor: Da wird kaum etwas am Fisch verändert; er wird nur fein geschnitten mit etwas Zitronensaft, Salz und Pfeffer serviert. Zugleich gibt es zum Beispiel die hochverarbeitete Bisque de homard, für die man einen Tag lang in der Küche steht. Im Resultat sieht man das Anfangsprodukt kaum mehr, und sie befördert einen kulinarisch genauso in den siebten Himmel. Zwischen solchen Gerichten liegen Galaxien. Ohne das eine gegen das andere ausspielen zu wollen: Diese Varietät kann Fleisch schlicht und ergreifend nicht bieten. Entsprechend sind auch der Fantasie in der Fischzubereitung kaum Grenzen gesetzt. Es ist bezeichnend, wie jede Kultur ihre eigene Fischküche hervorgebracht hat. Sich mit so einem Riesenthema auseinandersetzen zu dürfen, ist faszinierend.
Welche Rolle spielt denn der Fisch in unserer Kultur, in der Schweizer Küche?
Grundsätzlich und erfreulicherweise eine wachsende. In den letzten 25 Jahren ist der Fischkonsum in der Schweiz um 60 Prozent gestiegen. Der Wermutstropfen dabei: 97 Prozent davon gehen auf Importe zurück. Die meistkonsumierten Produkte sind Thunfisch, Crevetten und Pangasius. Doch wir entdecken zunehmend wieder die Varietät des Schweizer Fischs und die Qualitäten von Weissfisch für Fischknusperli oder anderen Gerichten. Egli, Felchen und Forellen haben die Schweizer Speisekarten über Jahrzehnte geprägt, und dieser Bereich wird jetzt erweitert. Ein Grund dafür ist, dass wir mit Zuchtfisch eine wesentlich grössere Varietät hervorbringen können. Zander war als inländischer Fisch lange schwierig zu bekommen – heute ist das dank der Zucht unproblematisch geworden. Auch die Äsche wird wieder gezüchtet, und es gibt sogar Schweizer Crevetten. Der Schweizer Fisch hat eine ganz grosse Zukunft. Selbstverständlich werden Meerfisch und Krustentiere ihren Platz behalten. Wichtig ist: Die Zeiten, in denen wir für ein Kilo Fisch zwanzig Kilo aus dem Meer herausholen und den Rest wegwerfen, sind vorbei.
Das ist Vorschrift beim Goldenen Fisch: Jedes ausgezeichnete Restaurant darf nur Fisch aus nachhaltigen Quellen servieren. Bei unserer Kundschaft kommt das extrem gut an. Es ist uns wichtig, dass wir dem Produkt, das wir servieren, sozusagen in die Augen schauen können. Wir wissen, woher es kommt, und wir wissen, wir leeren damit nicht die Meere und Seen. Daher ist die Schweizer Zuchtfischerei ein grosses Thema, das wir fördern. Im Moment züchten wir in der Schweiz mehr Fisch, als wir fangen, und das ist eine gute Entwicklung: Wir schonen damit unsere Gewässer enorm. Es gibt in der Schweiz auch sehr strenge Vorschriften für die Zucht. Wenn man an die Mangrovenwälder Vietnams denkt, die für den Pangasius zerstört werden – so etwas gibt es in der Schweiz nicht. Unsere Zucht ist art- und naturgerecht. Wir fahren damit sehr gut, die Qualität ist hervorragend, und vor allem ist der Fisch wahnsinnig frisch. So ein Egli aus Raron, ein Zander aus Susten oder eine Forelle aus Basel – das sind wunderbare Produkte, und es macht grosse Freude, sie zuzubereiten.
Martin Immenhauser
Der Restaurantinhaber aus Bern lernte die Tafelgesellschaft zum Goldenen Fisch kennen, als sie seinem Lokal ihre Tafel-Auszeichnung für ausgezeichnete Fischküche verlieh. Mit der Neuausrichtung der Tafelgesellschaft im Rahmen ihres 50-Jahre-Jubiläums bot Martin Immenhauser seine Hilfe an. Als fischbegeisterter Gastronom und gelernter Rechtsanwalt war er gut dafür geeignet. Er wurde Teil des Vorstands, in dem er bis heute die Interessen der Gastronomen vertritt.
Das kann ich mir vorstellen. Was wünschen Sie sich als Tafelgesellschafter für die Zukunft der Schweizer Fischküche?
Die Fischküche macht Freude, wenn sie ein hohes Niveau hat. Ich sage es jetzt etwas brutal: Der ewige Pangasius, den es überall gibt, interessiert uns nicht. Wir propagieren aber auch nicht die komplizierte, teure Nouvelle Cuisine. Bei uns geht es um die Qualität und das Einfache. Paul Bocuse sagte einmal, ein einfaches Bohnenkraut könne besser sein als ein trockener Hummer, und da hat er völlig Recht. Es geht auch besonders um identifizierbare Produkte. Das heisst: Wenn ich mit einer Sauce den Fisch so ruiniere, dass ich nicht mehr weiss, was darunter ist, so ist das für den Fisch eine Katastrophe und kein gastronomischer Genuss mehr. Jeder Fisch hat seinen eigenen Geschmack, seine eigene Garstufe. Das kann man im besten Fall unterstützen, im schlimmsten Fall zerstören. Schon Van Gogh sagte, das Einfachste sei das Schwierigste. Das gilt auch für die Fischkochkunst. Das ist die Richtung, die uns interessiert.
Der Fantasie in der Fischzubereitung sind kaum Grenzen gesetzt.
Martin Immenhauser
Tafelherr beim Goldenen Fisch und Restaurantinhaber
Ein Egli aus Raron, ein Zander aus Susten oder eine Forelle aus Basel – das sind wunderbare Produkte.
Martin Immenhauser
Tafelherr beim Goldenen Fisch und Restaurantinhaber
Viele Menschen haben das Essen verlernt; sie schlucken nur noch. Wir wollen den Genuss fördern: den Genuss guter Zubereitung, den Hochgenuss eines frischen Fischs auf dem Teller, bei dem man mit den Geschmacksnerven sozusagen lauscht und schaut, sich herantastet, die Varietät herausspürt. Auch die Neugier, die damit verbunden ist, und natürlich die Verantwortung im Umgang mit dem Fisch sind uns wichtig. Der billigste Fisch ist selten der beste und erfüllt selten die Anforderung der Nachhaltigkeit. Wir sollten uns darauf besinnen, dass der Fisch in der Schweiz nicht nur eine grosse Vergangenheit, sondern auch eine grosse Zukunft hat. Wir müssen für ihn Sorge tragen, im Gewässer und in der Küche. Da bin ich sehr zuversichtlich: Wir haben Tendenzen in der schweizerischen Kochkunst, die dem Fisch höchsten Respekt zollen, indem sie sich auf das Einfache zurückbesinnen. Darüber freue ich mich.
Bilder: Getty Images/Jordi Salas/scubaluna