Der Alpenraum-Kulinarikexperte Dominik Flammer hat vor Kurzem die Schweizer Hotelfrühstücke unter die Lupe genommen. Wir haben ihn zum aktuellen Stand des Zmorge im Land befragt und von ihm erfahren, wie sich Frühstücksangebote verbessern lassen. 

Dominik Flammer, wie sieht Ihr Frühstück normalerweise aus?

Ganz einfach: gutes Brot, gute Butter, eine gute Konfi und einen guten Honig. Ganz traditionell schweizerisch – und einen Milchkaffee dazu.

Wie beurteilen Sie den heutigen Stellenwert des «Zmorge» bei den Schweizer:innen?

Während der Arbeitswoche ist das Frühstück für die Schweizer:innen nicht die wichtigste Mahlzeit. Ursprünglich hiess es ja: «am Morgen wie ein Bischof, am Mittag wie ein Pfarrer und am Abend wie ein Betttelmönch». Das Frühstück galt als das Wichtigste. Aber das ist in unserer Arbeitswelt, in unserer Kultur nicht allzu leicht möglich. Das Frühstück gewinnt allerdings an den Wochenenden und in den Ferien massiv an Bedeutung. Während der Ferien isst man morgens und abends, dazwischen vielleicht nur ein leichtes Mittagessen oder ein Zvieri. 

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Dominik Flammer

Werden die heutigen Schweizer Bäckerei- und Gastronomiebetriebe dem gerecht?

Ich finde, die Bäckereien machen zusehends bessere Arbeit: Sie produzieren wieder mehr originelle Brote. In Hotellerie und Gastronomie ist der Zustand dagegen eher ernüchternd. Gerade in der Hotellerie sehen wir, dass die Food-and-Beverage-Manager:innen einfach in eine Excel-Tabelle eintragen, was günstig ist, und das kommt dann auf das Frühstücksbuffet. Oft ist die Küche abgekoppelt vom Morgenbuffet; sie redet nicht rein, macht nicht mit. Wir fanden zum Teil 5-Sterne-Hotels mit einem Wareneinsatz von 3.05 Franken pro Gast. Da muss ich sagen: Wenn ich 480 Franken für das Zimmer bezahle, ist das sehr schäbig.  

Das Frühstück gewinnt an Wochenenden und in den Ferien massiv an Bedeutung.

Dominik Flammer

Kulinarikexperte

Warum reicht das nicht aus?

Die Gäste, die sich ein 4- oder 5-Sterne-Hotel leisten können, haben wahrscheinlich relativ hochwertige Produkte zuhause im Kühlschrank. Nehmen wir den Bio-Bereich: 40 Prozent der Frisch-Eier, die in der Schweiz konsumiert werden, sind Bio-Eier. Und ich nehme mal an: Von denjenigen, die sich ein 5-Sterne-Hotel leisten können, haben ungefähr 80 Prozent Bio-Eier zuhause. Wenn diese Leute ein Buffet mit ungarischen Billig-Eiern vorgesetzt bekommen, weil der F&B-Manager gesehen hat, dass er die für drei Rappen kriegt, dann fragen sie sich: «Warum bin ich überhaupt im Hotel?» Hier gibt es Industriehonig, abgepackte Konfi von einem einzelnen Anbieter, Cornflakes von einem internationalen Konzern, die ich weltweit bekomme, es gibt mit rotem Wachs ummantelte Chäsli, die für zwei bis drei Franken pro Kilo im internationalen Handel eingekauft wurden – lauter Ware, die nicht so gut ist, wie sie sein müsste. 

Teilweise ist das Frühstücksangebot ernüchternd.

Dominik Flammer

Kulinarikexperte

Sie waren federführend bei der Publikation «Die neuen Schweizer Regionalfrühstücke». Was hat Sie dazu bewogen, sich mit dem Zmorge auseinanderzusetzen?

Moderne Gäste benötigen drei Werte in einem Hotel: Freundlichkeit und Professionalität beim Personal, Qualität bei Bett und Zimmer und ein gutes Frühstücksbuffet. Alle anderen Dinge werden nur zeitweise genutzt. Seminarräume, Wellnessbereich, Fitness – das nutze ich vielleicht jedes fünfte Mal, wenn ich in einem Hotel bin. Aber die drei erwähnten Werte, die brauche ich. Bei den ersten beiden Punkten sieht es in der Schweiz gut aus: Die Ausbildung ist sensationell, die Infrastruktur ist auf einem sehr hohen Niveau. Nur das Frühstück hinkt noch hinterher. Darum schlug ich HotellerieSuisse vor, das zu analysieren – und die Resultate waren teils erschreckend.

Warum ist das so?

Zu viele Hoteliers sagen noch immer: «Der Gast kostet beim Frühstück bloss.» Aber wenn ich beim Frühstück merke, dass ich nur als Kostenfaktor angesehen werde, schwindet meine Lust, in Hotels zu übernachten. Da muss sich die Hotellerie an der Nase nehmen.

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Zur Person

Dominik Flammer

Der gebürtige St. Galler ist Experte für die Geschichte der Ernährung und das kulinarische Erbe des Alpenraums. Er produziert mit seiner Agentur «Public History» Inhalte zu diesen Themen und berät die Gastronomie. Seine Bücher haben unter anderem mehrere  Goldmedaillen der Gastronomischen Akademie Deutschlands gewonnen.

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Wenn ein Betrieb sein Frühstücksangebot verbessern möchte – wo sollte er ansetzen?

Es gibt diverse «Quick-Wins»: Man stellt zum Beispiel einen Honig vom nächstgelegenen Imker hin. Wir haben Tausende Imker:innen in der Schweiz, und Honig bildet eine Landschaft ab. Im Engadin möchte ich einen Engadiner Honig und im Emmental einen Emmentaler Honig, nicht einen aus Mexiko oder Guadeloupe, der von einem internationalen Konzern zusammengepampt wird. Nächste «Quick-Wins» sind gutes Brot vom lokalen Beck oder auch andere lokale Waren: In einem Hotel wurden mir Mango-, Papaya-, Maracuja- und Orangensaft angeboten – lauter exotische oder mediterrane Getränke. Kein Apfelsaft, kein Kirsch-, Zwetschgen- oder Quittensaft –nichts Lokales. Es geht darum, ein Frühstücksbuffet zu bieten, das der Region gerecht wird. Im Jura möchte ich ein anderes Frühstück als in Graubünden. Kreative Ideen entstehen besonders dann, wenn Köch:innen und Bäcker:innen zusammenarbeiten. Und zu seinen Lieferant:innen sollte man sagen: «Ich möchte von dir ein lokales Produkt, nicht etwas, das du von irgendwoher importierst.» 

Im Jura möchte ich ein anderes Frühstück als in Graubünden.

Dominik Flammer

Kulinarikexperte

Wann haben Sie zuletzt ein denkwürdiges Frühstück bekommen?

Wenn ich reise, entscheide ich mich immer öfter für ein Bed & Breakfast. Die Freundlichkeit ist da, die Infrastruktur ist vielleicht nicht ganz auf Hotelniveau, aber ich habe ein gutes Bett, es ist sauber – und ich bekomme ein besseres Frühstück. Vor Kurzem war ich im Tirol; eine Nacht in einem 4-Sterne-Hotel und eine auf einem Bauernhof. Das Frühstück im Hotel war grenzenlos enttäuschend: nur internationale Ware, die ich auch in London, Paris oder Bangkok bekomme. Bei der Bäuerin bekam ich ein lauwarmes, frisches Brot, Bio-Eier vom Hof, verschiedene selbstgemachte Konfitüren, Frischkäse von der Nachbarin – ich war völlig begeistert. Die Hotelübernachtung kostete 220 Euro, das Bed & Breakfast 70 Euro. Diese Erfahrung mache ich regelmässig. 

Info

Die neuen Schweizer Regionalfrühstücke

Gemeinsam mit HotellerieSuisse und diversen Autor:innen hat Dominik Flammer die  Frühstücksangebote von Schweizer Hotels analysiert und regionale Empfehlungen  erarbeitet. Die Broschüre kann für 10 Franken per E-Mail bei Dominik Flammer bestellt werden:
df@publichistory.ch

Erinnern Sie sich auch besonders an ein bestimmtes Produkt?

Gut in Erinnerung geblieben ist mir eine Himbeerbutter. Die wurde in einem Hotel aus lokaler Butter und Konfi aus dem eigenen Garten hergestellt. Der ganze Frühstückssaal redete über diese rosa Butter, und es musste drei- oder viermal eine neue gebracht werden. Im Gegensatz zu einem generischen Frühstück erinnern sich die Leute monatelang an so etwas. Die Hotels, die solches bieten, werden sich durchsetzen. Dafür verzichten die Leute gerne auch auf eine Smoker’s Lounge, eine exklusive Art Library oder einen Fitnessraum mit 720 Geräten. 

Bilder: Tina Sturzenegger

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Raphael Dorigo

Autor

Als Sprachgourmet kreiere ich leidenschaftlich Texte, die mehr sind als Wortsalat.

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