Christine Schäfer ist Researcher am GDI Gottlieb Duttweiler Institut. Sie analysiert gesellschaftliche, wirtschaftliche und technologische Veränderungen mit den Schwerpunkten Food, Konsum und Handel. Mit ihr konnten wir uns zu Slow Fast Food unterhalten und erfahren, was das Thema für die Branche bedeutet.
Man beobachtet die Bewegung von Fast zu Slow Fast Food. Was ist Slow Fast Food für Sie?
Wir beobachten diesen Trend auch, sprechen jedoch eher von Fast Food zu Fast Good. Wir Konsumenten sind noch immer oder zunehmend gezwungen, uns «fast», «on the go» und «convenient» zu verpflegen. Was wir bisher unter Fast Food verstanden haben, sagt uns nicht mehr zu. Auch das «schnelle» Essen soll gut, gesund und aus der Region sein.
Wie ist Slow Fast Food entstanden?
Konsumentinnen und Konsumenten befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen dem Megatrend «Science» und dem Gegentrend «Romance». Megatrends sind langfristige Veränderungen, die umgreifend unser Leben beeinflussen. Daraus entstehen immer wieder Gegentrends für Menschen, für die diese Entwicklung in die falsche Richtung oder zu schnell geht. Science beschreibt das Wissenschaftliche und die «Verdatung» unseres Lebens. Dass wir alles immer mehr quantifizieren und optimieren möchten – das kann Produkte, aber auch uns selbst betreffen. Der Gegentrend «Romance» charakterisiert sich durch Bedürfnisse nach Authentizität, Regionalität, Frische, die sich in dieser Slow-Food-Bewegung widerspiegeln. Fast Good versucht, die Brücke zwischen dem Mega- und dem Gegentrend zu schlagen.
Konsumenten eignen sich immer mehr «Foodie-Skills» an – Know-how rund um die Herstellung und die Zubereitung von Essen – welche Auswirkungen hat das auf Bäckerei- und Gastronomiebetriebe und ihr Angebot?
Es ist ein grosses Bedürfnis nach Transparenz da. Gerade weil sich die Menschen stärker dafür interessieren, was sie essen, wo, von wem und unter welchen Bedingungen das Essen produziert wird. Auch das «wie» ist wichtig: Ist es bio, und wurde das Essen im Einklang mit der Natur produziert, oder wurde ein Tier schnell gemästet, damit es möglichst bald geschlachtet werden kann? Gerade für Gastronomiebetriebe und Bäckereien ist es wichtig, diese Transparenz zu vermitteln. Wo beziehen sie die Lebensmittel, die Rohstoffe – wurden diese fair produziert, werden die Menschen fair bezahlt, wird das Tierwohl berücksichtigt? Daraus entstehen Konzepte wie «Farm-to-table», bei denen man genau sagen kann, von welchem Bauern das Gemüse und von welchem Hof das Fleisch stammt. Solche Konzepte kommen bei sehr kleinen, einfachen Betrieben bis hin zur Sterne-Gastronomie vor, die sogar teils ihren eigenen Garten betreiben.
Vor allem handwerkliche, regionale Anbieter geniessen zunehmend Ansehen, da sie für sorgfältige und authentische Verarbeitung stehen. Slow Fast Food passt also wunderbar in deren Konzepte. Geben Sie uns einen Tipp für solche Betriebe.
Die Kommunikation ist ganz wichtig. Es nützt einem Betrieb nichts, wenn er ein super Produkt hat, aber niemand weiss davon. Die Kommunikationsmöglichkeiten, gerade auch mit Social Media, sind um einiges breiter und auch günstiger geworden. Es ist nicht nötig, eine riesige Kampagne zu fahren. Schlussendlich kann man mit gezielten Posts und beispielsweise der Einbindung von Influencern ein zielgruppenspezifisches Marketing betreiben. Weiter ist es für kleine Betriebe auch wichtig, nicht zu versuchen, alles abzudecken, sondern es zu schaffen, die eigene Nische zu finden.
Wie kann die Gemeinschaftsgastronomie diesen Bedürfnissen gerecht werden?
Es ist sicherlich eine grosse Herausforderung, die auf solche Betriebe zukommt. Gerade auch, weil wir Menschen sensibilisiert sind auf Unverträglichkeiten beziehungsweise auf die ganz persönlichen Bedürfnisse, denen man früher weniger Aufmerksamkeit geschenkt hat. Ein Blick ins Altersheim: Die Generation, die in 10 bis 15 Jahren pflegebedürftig wird, ist sich heute gewohnt, das Essen nach ihren persönlichen Bedürfnissen zu gestalten. Wenn wir auf das Thema «pürierte Kost» zu sprechen kommen – da gibt es zum Beispiel spannende Möglichkeiten mit 3D-Druckern. Das Pouletbrüstli muss man aus gesundheitlichen Gründen pürieren, kann es aber mit einem 3D-Drucker in die ursprüngliche Form zurückbringen, damit die Lust am Essen trotz allem vorhanden ist.
Christine Schäfer
Sie studierte Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Bern und Valencia mit den Schwerpunkten Marketing und Consumer Behaviour. Bevor Christine Schäfer zum GDI wechselte, absolvierte sie das Traineeprogramm bei Johnson & Johnson in Zug. Die Autorin des «European Food Trends Report 2017 – Warum Essen zum neuen Pop wird» – spielt in ihrer Freizeit Hockey beim Luzerner Sportclub.
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