Das Gebäude von sumia, der Alterszentrum Sumiswald AG, wird im September fünf Jahre alt. Sehr jung, wenn es mit den Bewohnenden verglichen wird. 86.7 Jahre ist das Durchschnittsalter und die Aufenthaltsdauer entspricht etwa einem Jahr. Das Engagement der Crew um Cécile Bürki-Gut ist sehr gross, um den Bewohnenden ihren neuen Alltag freudvoll und abwechslungsreich zu gestalten.
Herzlich willkommen
Aktuell sind in sumia nur gerade zwei Zimmer frei. Der Küchenchef, Guido Räss überlässt nichts dem Zufall: «Neu eintretende Bewohnende werden zusammen mit zwei Angehörigen aus dem Umfeld zum Essen eingeladen. Beim persönlichen Gespräch mit den Begleitpersonen erfahren wir viel über die Essgewohnheiten des neuen Bewohnenden», erklärt Guido Räss. Nach dem Essen seien die Begleitpersonen, oft die Kinder, beruhigt und erfreut über die Angebotsqualität. «Das Essen steht im Alterszentrum im Mittelpunkt. Es gibt eine Tagesstruktur, auf die sich die Bewohnenden freuen. Kurz nach dem Eintritt suche ich das persönliche Gespräch, um ihre Essens-Vorlieben zu erfahren», erklärt der Küchenchef.
Das persönliche Gespräch
Auf den wöchentlichen Rundgängen mit Guido Räss oder Salome Schütz wird natürlich über das Essen gesprochen: Da haben einige beim «Fachsimpeln» über Rezepte von früher erzählt. Rezepte, die sie für ihre Familien oder in den Betrieben, wo sie arbeiteten, gekocht hatten. Das brachte Salome Schütz auf die Idee, diese zu sammeln. Sie motivierte die Bewohnenden, ihr weitere Rezepte zu bringen. Salome Schütz wollte all die alten teilweise mündlich überlieferten Rezepte in einem Buch veröffentlichen. Jedes einzelne kochte sie nach und liess die Bewohnenden degustieren. Durch ihre Tipps und Tricks bewahrte Salome Schütz die Geschmackskombinationen von früher auf. «Manchmal kochten wir das Gericht zwei, drei oder auch vier Mal, bis es passte», erzählt sie.
Das Buch: «Chuchischätz»
Innerhalb von einem halben Jahr sammelte die engagierte Köchin die Rezepte, kochte sie nach und holte die Bestätigung für die Veröffentlichung bei Angehörigen oder den Bewohnenden ein. 49 Rezepte kamen zusammen. Aus dem Brockenhaus wurden Utensilien für die Rezeptbilder angeschafft. Innerhalb von zwei Tagen waren die Rezeptbilder im Kasten. Dazu wurden Portraits der Rezeptgeberinnen und -geber aufgenommen. «Einige waren zu bescheiden und wollte sich nicht fotografieren lassen», hält Schütz fest.
49 Rezepte von 40 Bewohnenden
Salome Schütz, Stv. Küchenchefin
Hanni Winkler - die Frohnatur
Eine der Rezeptgeberinnen ist Hanni Winkler (82) aus Obergoldbach. Im Rollstuhl treffen wir die Frohnatur beim Rüsten von Karotten im Gruppenraum. Auf das Rezeptbuch angesprochen meint sie: Sie kenne die Zutaten von «Schlüüfferli» und den «Studänteschnitte» nicht mehr so genau, aber es sei ja jetzt im Buch «Chuchischätz» niedergeschrieben. Ihre Tochter hätte beide Traditionsgebäcke auch oft gebacken. Dann schweift sie ab und erzählt von früher: «Ich bin in einer Bäckerei aufgewachsen. Nach der Schule durfte ich da fast jeden Tag aushelfen. Ich arbeitete gerne und konnte vieles lernen. Immer an Weihnachten stellte ich einen grossen Kessel mit «Schlüüfferli»-Teig her.
Die Nachfrage ist gross
«Mein Onkel, dem die Bäckerei gehörte, erklärte mir das Rezept. Schon nach der zweiten Zubereitung konnte ich es auswendig. Aufgeschrieben habe ich das Rezept erst später, als ich es meiner Tochter weitergegeben habe», erklärt Hanni Winkler. Sie mustert die Karotte mit einem kritischen Blick und schält sie feinsäuberlich weiter. «Es ist schön, dass ich die Rezepte weitergeben durfte. Ich bin schon ein wenig stolz», erzählt Hanni Winkler ein bisschen verlegen. «Im Dezember 2019 haben wir 600 gedruckte Exemplare erhalten. Diese gingen weg wie frische «Weggli». Dann bestellten wir nochmals 1400, erzählt Salome Schütz und fährt weiter, im Moment haben wir bald 2000 «Chuchischätze» verkauft. Die Nachfrage hat uns überrascht und riesig gefreut.»
Bald sind 2000 «Chuchischätze» verkauft
Salome Schütz, Stv. Küchenchefin
Nahe beim Bewohnenden
Rund 20 Prozent der Bewohnenden erhalten eine spezielle Ernährung. Dies herauszufinden ist aufwändig. «Eine Frau teilte uns mit, sie esse kein Fleisch. Sie liebe aber den Fleischkäse, den ihre Bekannten mitbrachten. Schlussendlich hat Salome Schütz, unsere stellvertretende Küchenchefin auf dem wöchentlichen Rundgang in der Wohngruppe herausgefunden, dass Eier ihr Lieblingsgericht sei und sie Fleisch einfach nicht möge. Nun bereiten wir täglich Eier in unterschiedlichen Varianten zu. Mit den Tipps der Ernährungsberaterin erhält auch diese Frau ein ausgewogenes Menü», erklärt Guido Räss.
In der «sumiaküche» verwenden wir nur Schweizer Produkte.
Guido Räss, Küchenchef
Menü aus dem Kisagbläser
Die Menüportion eines älteren Menschen beträgt oft nur noch einen Viertel der übliche Menge. In diesem Anteil muss nebst den essenziellen Nährstoffen genügend Eiweiss enthalten sein. Dies unterstützt den Erhalt der Muskulatur und die Wundheilung. Beides trägt enorm zur Lebensqualität bei. «Das Essen servieren wir bewohnergerecht. Bei starken Schluckbeschwerden pürieren wir die Komponenten sehr fein und richten sie aus dem Kisagbläser als Espuma und leicht gebunden an. Bei weniger starken Schluckbeschwerden wird das Gericht püriert und in Formen pochiert. So erhält es seine Form wieder und sieht zum Verwechseln ähnlich mit dem normalen Gericht aus», erklärt Salome Schütz. Sie hält uns eine schaumige Masse entgegen. Dies sei das Morgenessen für einen Bewohner mit starken Schluckbeschwerden. Im kleinen Glas sind leicht erwärmt Kaffee, Butter, Brot, Käse, Konfitüre und Milch fein gemixt und im Kisagbläser aufgeschäumt worden. Grossartig mundet das Morgenessen, jede Zutat ist am Gaumen wahrnehmbar. Wir sind begeistert. Der Fotograf Jörg Waldmeier und ich duften das Morgenessen degustieren.
Früher ins Altersheim
«Die Menschen hier auf dem Land kommen oft erst ins Altersheim, wenn ihre Betreuung überfordert ist oder sie den Haushalt trotz Unterstützung der Spitex nicht mehr führen können. Die Eintritte sind somit teilweise sehr akut und umso wichtiger ist es, so rasch als möglich mit den Bewohnenden in Kontakt zu treten, um ihre Gewohnheiten und Wünsche zu kennen. So können wir einen wichtigen Beitrag leisten, damit sie die Bewohnenden so rasch als möglich bei uns zu Hause fühlen.
Die Eier vom Bauer nebenan
Guido Räss schaut aus dem Küchenfenster und meint. «Von diesem Bauernhof gegenüber beziehen wir die Eier. Der Einkaufsschwerpunkt der Lebensmittel liegt klar bei Produkten aus der Region.» Es gebe nur eine Ausnahme und das sei das Wildfleisch im Herbst. Der höhere Preis der Schweizer Produkte werde akzeptiert. Die regionalen Produkte seien geschätzt. «In der Küche sind wir seit der Eröffnung 2016 ein eingespieltes Team. sumia ist ein attraktiver Arbeitgeber. Die Zubereitung der frischen Lebensmittel fordert meine Mitarbeitenden sehr. Genau das macht das Kochen spannend», erklärt der Küchenchef abschliessend.
Wohnen in sumia
Seit September 2016 sind die drei Standorte Schloss, altes Spital und Alters- und Leichtpflegeheim in der Alterszentrum Sumiswald AG vereint. Dieses bietet den Bewohnenden 200 zeitgemässe Einzelzimmer. Darunter befindet sich auch eine Demenzwohngruppe mit 19 Plätzen. Total beschäftigt das Alterszentrum 200 Mitarbeitende, davon sind 19 in der betriebseigenen Küche beschäftigt. Die Vision «selbstbestimmtes und würdevolles Leben» ist sehr anspruchsvoll und bringt die Mitarbeitenden immer wieder auf neuen Ideen.