Im Hotel Schweizerhof in der Lenzerheide ist Nachhaltigkeit nicht nur eine Worthülse. Im Pionierhotel setzt ein gut vernetztes Direktorentrio Akzente und zeigt, dass kleine Ideen durchaus eine grosse Wirkung haben können. Und dass der Schutz der Umwelt nicht nur Mehrkosten verursacht, sondern etliche wirtschaftlichen Vorteile bringt.
Über 32 Jahre führen Claudia und Andreas Züllig das Hotel in den Bündner Alpen. Das damals kleine Hotel bauten die beiden um, mit den Jahren kamen einige Zimmer und ein grosser Wellnessbereich hinzu. Sämtliches Erneuern stand dabei immer im Einklang mit der Natur. Natürliche Materialien haben und hatten den Vorzug. LED-Leuchtmittel, lokale Produkte für die Gäste oder der Einsatz von nachfüllbaren Shampooflaschen und Duschmittel wurden zum Standard in einer Zeit, als Nachhaltigkeit noch von vielen belächelt wurde. Erst vor knapp drei Jahren übernahm der Dritte im Direktorenteam, Christian Zinn, die Aufgabe als Direktor und Gastgeber im Hotel Schweizerhof.
70 Prozent weniger Lebensmittelverluste.
Christian Zinn
Direktor und Gastgeber
Der Corona-Turbo
Der sympathische Gastgeber aus Garmisch Partenkirchen steht am unscheinbaren Frühstücksbuffet: Darauf fehlen Schüsseln mit Birchermüesli und Früchten sowie Käse und Fleischplatten. «Corona hat uns gelehrt, sparsamer mit den Lebensmitteln umzugehen», erklärt Christian Zinn begeistert und fährt weiter: «Wir sparen seither 70 Prozent an Lebensmittelverlusten ein. Früher stellten wir die Schüsseln und Platten mit Bündnerfleisch und Käse etc. offen aufs Buffet. Das Gleiche richten wir heute in kleinen von uns definierten Mengen in zugedeckten Weckgläsern an. Der Gast bedient sich damit und bestellt sich die Portion Käse, Bündnerfleisch, Lachs oder seine Eierspeisen am Tisch dazu.»
Die Einzelgängerin
Die Banane gilt als «fast» einheimisch, obwohl sie in tropischen Gebieten geerntet wird. Das heisst: Sie ist aus dem Fruchtangebot schlecht wegzudenken. Deswegen ziert die gelbe Frucht trotzdem das Frühstücksbuffet. Auf weitere exotische Früchte verzichtet die Küchencrew jedoch bewusst. Im Speiseangebot stehen vielmehr einheimische und saisonale Früchte. Mit den alten Apfelsorten von regionalen Hochstammbäumen stellt Küchenchef Martin Moritz Apfelmus oder Kompott her. Die Banane wird also auch in Zukunft eine exotische Einzelgängerin bleiben im Hotel Schweizerhof.
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Das Brotmassaker
Bei der Brotauswahl greift der Gastgeber auf das Handwerk einer hiesigen Bäckerin zurück: Petra Hartmann backt auf dem Milchwirtschaftsbetrieb in Muldain in ihrem alten Backhaus für das Hotel Schweizerhof Holzofenbrot. «Dank einer langen Triebführung enthält das Brot wenig Hefe und bleibt daher bis zu vier Tage frisch», erklärt Christian Zinn. Das Brot werde zudem in der Küche vorgeschnitten. Etliche Gäste seien mit dem Brotschneiden überfordert. Es sei schlimm, was dem Brot zum Teil angetan werde. Diese Brotmassaker verhindern die Profis in der Küche oder im Service, indem sie ausreichend Brot vorschneiden.
Das Brot wird von einer regionalen Bäckerin gebacken.
Christian Zinn
Direktor und Gastgeber
Täglich frisch geliefert
Für das Abendessen stellt Martin Moritz jeden Tag ein Sechs-Gang-Menü zusammen. Der Hotelgast kann aber auch frei à la carte sein Menü zusammenstellen. Jeweils bis morgens um 10 Uhr werden die Lebensmittel der Bauern, Fischer und des Metzgers in die Küche angeliefert. Danach stellt Martin Moritz das Menü zusammen, informiert seine Köche und das Serviceteam. Vergeblich sucht man im Restaurant Krustentiere, Kaviar oder Gänsestopfleber. In Zukunft wird der Küchenchef gar auf die Edelfleischstücke für die Hotelgäste verzichten.
Der Gast macht mit
Normalerweise werden für ein Sechs-Gang-Menü ebenso viele Messer, fünf Gabeln und zwei Löffel aufgedeckt. Das sind mindestens zehn Besteckeinheiten. «Es sind vielfach die kleinen Ideen, die mächtig Einsparungen generieren», erklärt Christian Zinn stolz. «Der Kaderausflug zu Rebecca Clopath im letzten Jahr hat uns gezeigt, dass es auch anders geht. Beim Zehn-Gang-Menü der Spitzenköchin assen wir immer mit dem gleichen Besteck. Danach war ich Feuer und Flamme, es ihr gleichzutun. Nach einigen intensiven Gesprächen mit den Restaurantmitarbeitenden starteten wir eine Testphase. Dafür lancierten wir einen Investitionsantrag für ein ‹Hinguckerbesteck› aus Italien und ein Besteckbänklein aus Andeerer Granit.»
Labels im Hotel Schweizerhof
Das Hotel Schweizerhof Lenzerheide ist ein Vorzeigebetrieb im Bereich der Nachhaltigkeit. Mit dem Label Leuchtturmhotels (CO2-Projekt) legt das Hotel Wert auf die Energieeffizienz und einen bewussten Umgang mit den Ressour-cen. Ein weiteres wertvolles Label ist Swisstainable von Schweiz Tourismus. Das Nachhaltigkeitsprogramm beinhaltet, die Verwendung lokaler Produkte sowie die Aufenthaltsdauer der Gäste zu verlängern und lokale Kultur authentisch aufzuzeigen.
Das gebrauchte Besteck bleibt
Währenddem das Besteck nicht sofort geliefert werden konnte, traf der Granit in Kürze ein.» Die noch höhere Hürde war die nächste Mitarbeitendensitzung: Die Servicecrew musste überzeugt werden, das gebrauchte Besteck nicht abzuräumen. «Die Auseinandersetzungen waren zäh», erzählt der Teamleader und fährt fort: «Wir vereinbarten, dass die Gäste bei der Begrüssung über die Änderung informiert werden.» Mit strahlenden Augen schliesst Christian Zinn ab: «Kein einziger Gast lehnte sich gegen unser Besteckkonzept auf. Im Gegenteil, sie beglückwünschten uns dazu.»
Ein Löffel, eine Gabel und ein Messer reicht für das Sechs-Gang-Menü
Christian Zinn
Direktor und Gastgeber
Einsparungen sind beeindruckend
Es gehört zur Aufgabe der Servicemitarbeitenden, das Besteck blitzblank zu polieren. Diese Arbeit ist zeitraubend und macht nicht unbedingt Spass. Christian Zinn stellt fest: «Die Einsparungen sind beeindruckend. Täglich werden rund ein bis zwei Stunden eingespart. Pro Monat ergibt dies rund 50 Arbeitsstunden. Wir rechnen mit einem durchschnittlichen Monatslohn von 5000 Franken. Mit dieser mutigen Idee können wir in zwei Jahren den Umbau der Abwaschküche und die Anschaffung von neuen Maschinen finanzieren.»
Nachhaltigkeit bedeutet, Gewohnheiten zu verändern.
Claudia Züllig
Direktorin
Erfolgreicher Austausch
Etliche Betriebe weisen ihre ökonomischen Prozesse mit Nachhaltigkeitslabels aus. Direktoren und Mitarbeitende komplettieren zahlreiche Checklisten und legen prall gefüllte Ordner in Schränken ab. «Wenn wir wollten, könnten wir uns mit weiteren Labels schmücken», erklärt Claudia Züllig ein wenig ironisch. «Seit 30 Jahren suchen wir nach Lösungen, um Prozesse zu vereinfachen, Ressourcen zu reduzieren und ehrlich nachhaltig zu sein. Wollen wir uns weiterentwickeln, brauchen wir den steten Austausch mit Gleichgesinnten. Dazu führen wir regelmässige Gespräche mit Hotelkollegen in der Lenzerheide. Sie sind wertvoll und bringen uns weiter.»
Her mit dem Abfall!
Beim Abschied drückt mir Claudia Züllig eine blau etikettierte Tüte in die Hand mit den Worten: «Wenn Sie wiederkommen, können Sie den Abfall mitbringen.» Ich erfahre: Das Hotel Schweizerhof unterstützt die Idee «Cleanpeak» mit 1000 Franken. Für diesen Betrag erhalten sie 1000 Tüten. Der Gast kann die Tüten mitnehmen und auf der Wanderschaft durch die Bündner Alpen herumliegenden Abfall einsammeln. Und kann ihn im Hotel abgeben. Als kleines Dankeschön erhält der Gast Wildbienen-Samen, die eine Wiese zum Blühen bringen. Eine grossartige Aktion, die der Umwelt zugutekommt und Gäste, vor allem auch Kinder, für die Umwelt sensibilisiert.
Bilder: Holger Jacob
Ein Geschenk für den Abfall.
Claudia Züllig
Direktorin