Fred Schaerlig und Sven Friese teilen eines von Kindesbeinen an: die Leidenschaft für Essen. Irgendwann mit dem Erwachsenwerden kamen zwei weitere Komponenten dazu: Geschmack und Nachhaltigkeit. 

Mitten im lebendigen Zürcher Binz-Quartier, im Hinterhof der ehemaligen Produktionsräume der Bäckerei Buchmann, befinde sich das Tor zu einem kleinen Food-Kosmos. Vor der Eingangstüre, dem ehemaligen Lieferanteneingang, sitzt Laura und überlegt sich gerade, welche Insta-Story sie von ihrem gestrigen Schokoladen-Lehrgang posten soll. Nach einer herzlichen Umarmung von ihr betrete ich das Treppenhaus, und bereits nach einigen Stufen steigt mir der Duft von Gekochtem in die Nase. «Ich bereite gerade den Apéro für unseren heutigen Gründungsevent des Vereins ‹Foodhub Zürich› vor», begrüsst mich Fred *, umarmt mich und zeigt auf die gebackenen Süsskartoffeln auf dem Backblech vor ihm. «Die kommen dann später auf einen Flammkuchen.»

* Anmerkung der Redaktion: Im «Provisorium» duzt man sich, darum tun wir das hier auch.

Wissen

Coworking Space

Coworking Space stammt von Co-working (englisch für «zusammenarbeiten») und ist eine neue Arbeitsform.  Freiberufler und Start-ups (Coworker/innen) arbeiten dabei in meist grösseren, offenen Räumen und können auf diese Weise voneinander profitieren und gemeinsam Projekte verwirklichen.

Willkommen im Food-Kosmos

Dort, im ersten Stock, trifft sich das Who’s who der jungen, wilden Zürcher Food-Szene. Zum Austausch, zum Essen, zum Degustieren, aber vor allem zum Finden und zum Gefundenwerden. Wer sich einen Platz im Coworking Space «DasProvisorium» gesichert hat, ist auserwählt, denn die Werte sind gegeben: ein hohes Verständnis für Lebensmittel, deren Qualität und Geschmack, gekoppelt an Nachhaltigkeit. Wie im richtigen Kosmos vermischt sich in der «alten Konditorei» – zwischen stillgelegten Backöfen, ehemaligen Knetmaschinen und vielen weissen «Plättli» – Raum und Zeit mit Materie und Energie. Neben den wohlduftenden Süsskartoffeln liegt etwas Besonderes in der Luft – hier entsteht etwas. Man kann es förmlich spüren (und riechen).

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Dauerhaftes Provisorium

«Wenn man zusammensitzt und sich austauscht, kommen einem so viele Ideen, aber oft lösen sich diese dann schnell wieder auf, weil keiner sie verfolgt», sagt Sven. «Wir wollen diese Kreativität bündeln, ‹Foodies› eine Heimat geben, vernetzen und die Idee zum Projekt werden lassen», ergänzt Fred. Mit «DasProvisorium» wurde dieser Ort kreiert. Als Herz des loftartigen Grossraumbüros dient der Mittagstisch der Knotenpunkt des Netzwerkes. Auch hier geht es kosmisch zu und her, denn hier treffen sich alle «Sterne» (Coworker/innen) und formen sich zu neuen «Sternbildern». Da ist zum Beispiel Jennie von «_pairing_is_caring_», die individuelle Getränkebegleitungen für Restaurants entwickelt und gerade an neuen fermentierten Säften herumpröbelt. Oder Simon, der das grösste Food-Festival der Schweiz (FOOD ZURICH) konzipiert und organisiert. Da ist aber auch das Lab von «AlpenPionier», einem Unternehmen, das es sich zur Mission gemacht hat, Hanf als Lebensmittel zurück auf den Teller zu bringen, oder «nom-nom», deren Visual-Storytelling-Studio im Coworking Space ein Zuhause fand. «Wir sind so an die 40 Leute hier. Manche haben einen fixen Arbeitsplatz wie in einem Atelier. Andere nutzen die Flex-Plätze und sitzen mit ihren Laptops an den grossen Tischen», erklärt Fred.

Fred – Vernetzer und Initiator von «DasProvisorium.»

Auf die Frage, wie Fred Schaerlig aufs Essen kam, antwortet der Welsche ganz sec: «Dank meiner Grosseltern», und schmunzelt. «Vor allem meine Grossmutter stand viel in der Küche und kochte Saisonales aus ihrem Gemüsegarten. Bis heute ist sie für mich Vorbild und Inspiration in Sachen Gelassenheit am Herd. Nie brannte etwas an, nie hat sie etwas aus der Ruhe gebracht. Dass dabei immer nur auf den Tisch kam, was Saison hatte, ist mir erst heute bewusst.» Fred, der früher in der IT- und Finanzbranche tätig war, kochte schon immer für sein Leben gern. «Als Kind habe ich vor allem gebacken, vielleicht zu viel», sagt er laut lachend und fügt an: «Das erklärt wohl, warum ich heute nichts Süsses mehr mag.» Später kochte er dann für Freunde, zuerst zu Hause, dann auswärts und irgendwann kamen öffentliche Pop-ups und Kochevents dazu. Der Wunsch und die Lust nach mehr Platz wurden grösser, und mit der «Kunstkantine» wurde ein Ort gefunden, der bald die Zürcher Plattform für junge Schweizer Küche und Köche wurde. «Auch die Spitzenköche Sven Wassmer und Rebecca Clopath kochten dort. Durch unsere Plattform konnten sie ihre Küche in Zürich präsentieren.» Dort lernte Fred Mitglieder von Slow Food Youth Schweiz kennen und wurde bald selbst Teil der Gemeinschaft rund um die Slow-Food-Bewegung, besuchte regelmässig deren Stammtisch – und lernte Sven kennen.

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Wir wollen diese Kreativität bündeln, ‹Foodies› eine Heimat geben, vernetzen und die Idee zum Projekt werden lassen.

Fred Schaerlig und Sven Friese

Die Initaitoren von «DasProvisiorium»

Sven – Kommunikator und  Initiator von «DasProvisorium.»

Auch Sven Frieses Begeisterung für Lebensmittel hat etwas mit seinen Grosseltern zu tun: «Als kleiner Junge verbrachte ich viel Zeit im Garten von Oma und Opa. Irgendwann merkte ich, dass Gemüse und Obst zu verschiedenen Zeiten im Jahr wachsen.» Der gebürtige Deutsche macht eine kurze Pause und fügt an: «Im Teenageralter und mit zunehmendem Interesse am anderen Geschlecht ging davon leider wieder viel vergessen.» Erst als Erwachsener habe er sich wieder gefragt, wo eigentlich das Essen beziehungsweise die eingekauften Lebensmittel herkommen. Viele Antworten darauf fand er dann bei der Organisation Slow Food. Besonders das Zusammenführen von Produzenten und Konsumenten ist ihm ein grosses Anliegen. Kommunizieren und Netzwerken standen schon immer im Mittelpunkt seiner Arbeit. Der Kommunikationsprofi besuche als Mitglied von Slow Food Schweiz regelmässig den Stammtisch von Slow Food Youth, wo er auf Fred traf. Genau an einem dieser Stammtische kam die Idee auf, einen festen Ort zu schaffen, an dem sich Menschen treffen können, um über gute, saubere und faire Lebensmittel zu diskutieren.

Der Kosmos wächst

«Wir wollen die Weltherrschaft», meint Sven und lacht: «Natürlich nicht.» Aber das Streben nach Höherem ist noch nicht zu Ende. Verhandlungen über ein zweites Stockwerk sowie eine Produktionsküche sind in Gange. «Mit einer Profi-Küche könnten wir Kleinproduzenten mehr Möglichkeiten bieten und eigene Caterings professioneller aufziehen. Somit ergänzen wir unser bestehendes ‹Taste Lab›, welches wir für Kurse und Workshops nutzen. Grundsätzlich einfach noch mehr Platz für die wachsende, nachhaltig denkende Food Community.» Als Mitgründer des Vereins «Foodhub Zürich» haben sie den Grundstein ihrer Zukunftsvision gelegt. Zusammen mit bekannten Grössen aus der Food-Szene, wie Dominik Flammer oder Patrick Honauer, wurde ein Verein gegründet, der der grössere Bruder von «DasProvisorium» und ihrer Idee werden soll: «Innovative und engagierte Menschen, die sich mit Lebensmitteln und Gastronomie beschäftigen, zusammenbringen und deren Netzwerke miteinander verbinden», bringen es Sven und Fred, fast zeitgleich ausgesprochen, auf den Punkt.

Bilder: Claudia Link

Drei Coworker/innen im Porträt

«Wir pflegen einen sehr freundschaftlichen Umgang»

Tobi

«Die ‹Äss-Bar› verkauft Backwaren vom Vortag. Wir produzieren aber nicht selbst, dies tun unsere Partner-Bäckereien», erklärt mir Tobias Etter, Leiter Administration und Verkauf der «Äss-Bar». Das Konzept ist einfach: Das in den Bäckereien Übriggebliebene wird am nächsten Tag durch eine der neun Filialen stark vergünstigt verkauft. Damit möchte das Unternehmen in erster Linie Produkte vor der Entsorgung retten. Dabei sehen sich Tobi und sein Team auch auf einer Aufklärungsmission: «Konsumenten sind immer noch überrascht, wie viel täglich weggeworfen wird.» 

Tobi, wieso seid ihr im «Provisorium»?

«Wir hatten lange kein Büro bzw. erledigten unsere administrativen Arbeiten ‹on the go›. Mit der Professionalisierung stieg der Wunsch nach einem  festen Arbeitsplatz. Der Entscheid zugunsten des ‹Provisorium› war einfach, nirgends ist der Austausch unter Food-Leuten grösser – und das erst noch  in der ehemaligen Betriebsstätte einer unserer Partner-Bäckereien.»

Kooperation mit ...

Am Mittagstisch des ‹Provisorium› entstand die Kooperation zwischen der «Äss-Bar» und «Zürichips», die Chips aus Brot herstellen, das im Abfall gelandet wäre. zuerichips.com

aess-bar.ch

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Anita

Unter dem Patronat der Stadt Zürich wurde 2015 ein Erlebnismonat mit dem Titel «Zürich isst» initiiert und damit der Grundstein für das Ernährungsforum Zürich gelegt. «Dort trafen zum ersten Mal alle Akteure der Lebensmittel-Wertschöpfungskette aus der Region auf die Bevölkerung und zeigten ihr, wie sie sich für ein nachhaltiges Ernährungssystem einsetzen», erklärt Anita Leuthold, die Geschäftsleiterin des Ernährungsforums Zürich. «Vom Bauern über den Gastronomen bis zur Food-Waste-Organisation: Jeder, der die Food-Landschaft Zürichs nachhaltig prägen möchte, ist als Mitglied bei uns willkommen. Am Ende machen die Mitglieder den Verein aus», fügt sie hinzu.

Anita, wieso seid ihr im «Provisorium»?

«Für uns ist es zwingend, dass wir am Puls bleiben. Hier gehen verschiedenste Leute aus dem Ernährungssystem ein und aus. Alles potenzielle Mitglieder, von deren Know-how wir profitieren können. Auch wenn es hier manchmal etwas chaotisch zu und her geht – ich schätze es sehr, nicht allein zu Hause im Home-Office zu sitzen.»

Events mit ...

Im Herbst 2019 hostet das Ernährungsforum Zürich zwei Kosmopolitics-Abende im Zürcher Kulturhaus KOSMOS:

30. September und 11. November 2019

ernaherungsforum-zueri.ch

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Werner und Nicolas

«Wir von ‹KernGrün› haben uns drei Worte auf die Stirn geschrieben: natürlich, nachhaltig und fair. Darunter bündelt sich eine Nachhaltigkeitscommunity mit einem Online-Shop, einem Workshop-Angebot und einem Blog. Wir wollen eine ganzheitliche Betrachtungsweise und nicht nur Produkte verkaufen», beteuert Werner Müller von «KernGrün». «Hinter jedem unserer Produkte steckt ein Produzent und seine Geschichte. Um diese erlebbar zu machen, bieten wir entsprechende Workshops an. Wir wollen vollkommene Transparenz. Um dem noch mehr Rechnung zu tragen, bieten wir nicht nur virtuelle Rundgänge auf unserer Website an, sondern bald auch Erlebnisse und Workshops bei unseren Produzenten vor Ort», ergänzt Nicolas De Girardi von «KernGrün».

Werner und Nicolas, wieso seid ihr im «Provisorium»?

«Wir bauen Beziehungsnetze auf, daher ist es naheliegend, im «DasProvisorium» zu arbeiten. Hier kommen wir mit so vielen interessanten Menschen, die dasselbe Gedankengut teilen, in Kontakt.»

Workshops ...

21.8.2019: Grundlagen Weinsensorik

22.8.2019: Die Schweizer Bio-Weinszene

26.8.2019: Bio vs. konventionelle Weine

28.8.2019: Foodpairing

kerngruen.ch

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Nina Vagli

Autorin

Hier teile ich meine Begeisterung für Ungewöhnliches aus dem Bereich Essen und Trinken.

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