Mit 30 Jahren absolvierte sie ihre Ausbildung zur Köchin. Nach Stationen in Restaurants von Zürich über New York bis Kopenhagen betreibt sie nun an der Zürcher Langstrasse die «Metzg» – Restaurant mit offener Küche und Spezialitätenmetzgerei in einem. Was sie tut, macht sie aus Überzeugung und mit Herzblut.
Wie kamen Sie auf die Idee für dieses kombinierte Gastronomiekonzept?
Dies geschah ungeplant. Ich hatte nicht im Sinn, mich selbständig zu machen oder ein Restaurant zu eröffnen. Dann erfuhr ich von einer Freundin, dass das Lokal frei wird, und habe mich zum Spass beworben. Als ich in die nächste Runde kam, musste ich mir Gedanken über ein Konzept machen.
Und wie entwickelte sich das Konzept in die Richtung der heutigen «Metzg»?
Ich mag Tiere und arbeite sehr gerne mit Fleisch. Die verschiedenen Transformationen finde ich faszinierend – von trocknen über pökeln, sieden, braten bis schmoren. Aber auch den ganzen Kreislauf vom neugeborenen Tier bis zum Fleisch auf dem Teller finde ich enorm spannend. Dazu kommt, dass ich Fleisch gerne esse.
Also war es die Leidenschaft für Fleisch, verbunden mit den Verarbeitungsformen?
Ja, genau. Ich liebe Tiere, interessiere mich für Landwirtschaft und alle Verarbeitungsschritte, vom Schlachtkörper bis hin zum Fleisch auf dem Teller. Am liebsten würde ich «bauern», um den ganzen Kreislauf selbst gestalten zu können.
Marlene Halter
Aufgewachsen ist die Inhaberin und Küchenchefin der «Metzg» neben einem Bauernhof. Nach ihrem Phil.-I-Studium begann sie mit 30 Jahren die Ausbildung zur Köchin in der Zürcher «Alpenrose». Weggeworfen wird bei ihr nichts. Was nicht verkauft werden kann, wird zum Hundeguetzli. Sie träumt vom eigenen Bauernhof.
Dafür fehlt Ihnen aber die Zeit?
Ja, die Zeit und das Geld [lacht]. Aber es ist ein grosser Traum von mir, alles selbst zu machen: das Futter für die Tiere zu produzieren, sie aufzuziehen und zu pflegen, sie dann aber auch selbst zu schlachten, zu zerlegen und zu verarbeiten. Viele Leute verstehen nicht, wie sich Tierliebe und das Metzgerhandwerk verbinden lassen. Für mich ist das kein Widerspruch, sondern ganz natürlich. Ich denke, für ein Tier gibt es nichts Besseres, als wenn jemand mit Herzblut dabei ist und schaut, dass es ihm so gut wie möglich geht. Sterben muss es irgendwann ohnehin, wenn wir Fleisch essen wollen. Das lässt sich nicht vermeiden.
Welche Erfahrungen haben Sie als Frau in der männerdominierten Metzgereiwelt gemacht?
Ich habe keine negativen Reaktionen erfahren. Für mich persönlich ist das Geschlecht kein Thema. Ich fühle mich «vögeliwohl» bei dem, was ich mache, das strahle ich wahrscheinlich auch aus. Einzig, wenn ich grosse Tiere zerlege, merke ich, dass es körperlich anstrengend ist. Dafür gibt es heute aber auch Maschinen, und ich bin ein zäher Mensch [lacht].
Sie waren eine der Ersten, die in der Schweiz auf Second Cuts* setzten – einer von vielen Trends aus den USA. Welche Entwicklung erwartet den Fleischmarkt in den nächsten Jahren?
Ich denke, die Second Cuts werden noch bekannter und populärer. Sonst wird der Fleischkonsum tendenziell ein wenig zurückgehen und das Bewusstsein für das Tier steigen. Dies ist aber eine Frage der sozialen Schichten. Je gebildeter die Menschen sind und je mehr Bewusstsein sie für die Ökologie haben, desto weniger Fleisch werden sie essen. Aber nur ein kleines Publikum interessiert dies wirklich und setzt diese Philosophie konsequent um. Wer kauft sich beim Metzger schon ein Herz und bereitet dieses zuhause zu? Sehr wenige.
* Gewinnt man aus Muskeln, die vom Tier stärker belastet werden als etwa das Filet. Dadurch entstehen dickere Muskelfaserpakete, die das Fleisch grobfaserig machen und ihm mehr Textur verleihen.
Special Cuts
Es muss nicht immer Filet oder Entrecôte sein – Special Cuts sind die neuen «edlen Fleischstücke». Und das erst noch zu einem attraktiven Preis.
Nach welchen Kriterien wählen Sie die Produzenten aus?
Einerseits muss das Produkt qualitativ supergut sein, anderseits schaue ich, wie die Produzenten in Bezug auf das Tierwohl und die Ökologie arbeiten. Kriterien hierfür sind, ob sie möglichst viel Futter für ihre Tiere selbst produzieren, ob die Tiere genug Auslauf haben, lange genug leben können, dass sie nicht zu stark gemästet werden und nicht zu schnell wachsen müssen. Wir arbeiten nicht mit Zertifizierungen, schauen aber im Einzelfall genau hin, wie die Partner arbeiten. Wir achten darauf, dass es eher Kleinbetriebe sind ohne Massenware. Wir kennen alle persönlich und haben somit eine Vertrauensbasis. Für mich ist wichtig, dass ich dem Menschen dahinter persönlich begegnen kann.
Schauen Sie den Produzenten auch vor Ort über die Schulter?
Ja, auf jeden Fall. Und wir haben Hauptlieferanten, aber auch einzelne Bauern, von welchen wir spezielle Produkte kaufen. Jetzt beziehen wir beim höchstgelegenen Bauernhof in Schwyz Wagyu- Rindfleisch. Das sind Kontakte, die laufend frisch dazukommen. Dann trifft man sich regelmässig zum Austausch. Bei allen Produzenten ist Vertrauen wichtig, denn alles kann ich nicht prüfen.
Fotos: Marlene Halter
Weitere Inspirationen?
In unserem Blog «Inspiration» finden Sie Trends, Saisonales und Erfolgsgeschichten aus der Branche.