In Thuri Maags Küche hat der Pilz nicht nur im Herbst Saison. Der inzwischen selbständige Spitzenkoch hat uns davon erzählt, wie ihn
das Pilzfieber packte, was seine Kochphilosophie ausmacht und was man im Kochberuf durch Naturbezogenheit gewinnen kann.

In Kürze
  • Thuri Maag ist Sternekoch und Pilzkenner. Heute ist er selbstständig und hat zwei Pilzkochbücher veröffentlicht.
  • Der naturverbundene Koch will dazu animieren, Pilze auch ausserhalb des Herbsts mehr in der Küche zu verwenden.
  • Den Eigengeschmack von Pilzen solle man nicht überdecken, und Schnittlauch passe besser zu Pilzen als Petersilie.
  • Man solle ruhig mit Mut die Sorten und Möglichkeiten der Pilze und einfacher Produkte erkunden.

Thuri Maag, wie haben Sie Pilze für sich entdeckt?

Pilze faszinieren mich seit meinem 30. Geburtstag. Wir feierten mit Freunden in Stein am Rhein, wo ich heute noch als Treiber auf die Jagd gehe. Mein Geburtstag am 20. September liegt mitten in der Pilzsaison. Wir haben den runden Geburtstag natürlich gebührend gefeiert. Leicht besäuselt hat mein Kollege gemeint, man könnte jetzt doch nach Totentrompeten suchen gehen. Und siehe da: Obwohl alle leicht wankend das Tobel hinauf gestolpert sind, war unser Sack bald prall gefüllt. Da hat es klick gemacht.

Ist die Totentrompete Ihr Lieblingspilz?

Mein Lieblingspilz ist je nach Tagesform ein anderer. Die Totentrompete, den «Trüffel der Armen», verwende ich durchaus gerne als Trüffelersatz. Ansonsten mag ich die Krause Glucke, auch Fette Henne genannt. Sie hat ein ganz spezielles Aroma und eine ähnliche Konsistenz wie eine Morchel. Allerdings habe ich diesen Pilz mittlerweile schon so oft gegessen, dass ich auch gerne zu etwas anderem greife, zum Beispiel zum Flockenstieligen Hexenröhrling. Der hat eine ähnliche Konsistenz wie der Steinpilz und ist nur sehr selten von Maden befallen. Wenn man ihn durchschneidet, wird er zuerst blau – in der Pfanne wieder gelb.

thuri maag am pilz pflueken
Zur Person

Thuri Maag

Der Bachenbülacher ist Sternekoch und hat sich in Restaurants in Frankreich und der Schweiz Michelin- und Gault-Millau-Auszeichnungen verdient. Er hat zwei Pilzkochbücher  veröffentlicht. Heute ist Thuri Maag selbständig und bietet Caterings, Kochkurse und  andere Events an.

thurimaag.ch

Was fasziniert Sie am Pilz?

Pilzesuchen ist wie Jagen. Man kommt in ein Fieber, und je mehr man dazulernt, desto mehr möchte  an wissen. Ich mache das inzwischen schon 40 Jahre lang, und ich lerne immer noch jeden Tag etwas
Neues dazu. Pilze kann man nicht einfach gedankenlos pflücken wie Äpfel oder Birnen – man findet stets Dinge vor, die man nicht erwartet hätte. Da ich mittlerweile sehr viele essbare und giftige Pilze kenne, kann ich immer mit einer guten Beute nachhause gehen.

Ich hinterfrage gerne alte Zöpfe aus den Lehrbüchern.

Thuri Maag

Koch und Pilzkenner

Sie schreiben, Ihr Kochstil sei «nicht streng französisch, nicht leicht mediterran, auch nicht asiatisch verspielt, sondern Maagisch». Was heisst das in der Praxis?

Ich war immer offen für Neues und hinterfrage gerne alte Zöpfe aus den Lehrbüchern. Es gibt zum Beispiel die Tradition, Knochen zu blanchieren. Das wird auch heute noch den Kochlehrlingen beigebracht. Allerdings geht dabei das halbe Aroma verloren. Man macht das, weil die Knochen früher sonst stanken. Das ist ja heute kein Problem mehr. Meine Philosophie besteht darin, aus der französischen, der asiatischen sowie anderen Sparten das Beste zu nehmen und es mit Produkten aus der Natur, aus der Umgebung zu kombinieren. Ich war damals einer der Ersten, die sagten, dass sie keine Meerfische mehr verwenden wollen, sondern nur Fische aus Schweizer Gewässern. Dasselbe tat ich mit Früchten. Früher wurde das noch belächelt, heute ist es völlig normal.

Der Pilz ist typisch für die Herbstküche. Welche Verwendungen zu anderen Jahreszeiten finden bisher zu wenig Beachtung?

Es ist ja tatsächlich so, dass es Pilze das ganze Jahr über gibt: Ich gehe auch im Frühling, Sommer und Winter in den Wald und finde immer welche. Und dann kommen noch die Zuchtpilze hinzu, von denen es mittlerweile acht bis zehn wundervolle Sorten gibt. Wenig beachtete Anwendungen sind zum Beispiel das Pilz-Ratatouille oder das Pilz-Frikassee mit Saisonpilzen. Auch Gerichte mit dem Limonenseitling, einer Unterart des Austernseitlings, würde ich gerne öfter sehen.

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Thuri Maag bei der Zubereitung vielfältiger Pilzgerichte.

Welche Fehler gilt es beim Kochen mit Pilzen zu vermeiden?

Wichtig ist es, den Eigengeschmack von Pilzen nicht zu überdecken. Bei einem Pilz-Frikassee braucht es nur Salz, Pfeffer und ein paar Schalotten. Der Steinpilz hat sein charakteristisches Haselnuss-Aroma, der Champignon schmeckt dezent nach Anis – das sind spannende Eigengeschmäcker, denen man nicht die Show stehlen sollte, indem man überwürzt! Es gibt auch die Unart, Pilzgerichte mit Petersilie zu verunstalten. Wenn man Grünes dazu will, sollte man lieber den zwiebligen Schnittlauch nehmen. Und wenn man den asiatischen Shiitake-Pilz verwendet, ist es wichtig, ihn nicht mit anderen Pilzen zu mischen, da er einen sehr dominanten Geschmack hat. Höchstens Judasohren oder Shimejis passen dazu.

Wichtig ist es, den Eigengeschmack von Pilzen nicht zu überdecken.

Thuri Maag

Koch und Pilzkenner

In Ihren Videos sind Sie des Öfteren im Wald unterwegs. Was gewinnt ein Koch durch Naturbezogenheit?

Als ich noch ein Restaurant hatte, bin ich sämtliche Neukreationen oder Gourmetmenüs im Wald durchgegangen. Da ist man ungestört, man fühlt sich offen, und man sieht, welche Produkte gerade Saison haben. Die verschiedenen im Wald vorhandenen Zutaten haben mich immer inspiriert. Es ist für einen Koch eine doppelte Freude, wenn er diese Naturprodukte nicht nur gut kennt und selber finden und ernten, sondern auch weiterverarbeiten kann.

Video

Bei der Pilz-Pirsch dabei

Auf seinem YouTube-Kanal nimmt Thuri Maag seine Zuschauer:innen mit in den Wald und vermittelt allerlei Wissenswertes über Pilze und Pilzküche.

youtube.com@thuriMaag

Pilzen wird als Rohstoff für Häuser oder Kleidung eine grosse Zukunft vorausgesagt. Wie sieht die Zukunft des Pilzes in der Küche aus?

Das Potenzial von Pilzen wie dem riesigen unterirdischen Hallimasch, der sich über mehrere Quadratkilometer erstrecken kann, ist wahnsinnig spannend. Wie die Zukunft des Pilzes in der Küche aussehen wird, hängt sicher stark von der Zukunft der Pilzzucht ab. Sie ist schon weit fortgeschritten: Der Austernseitling zum Beispiel ist bei uns selten; man findet ihn draussen nur im Winter. Mittlerweile gibt es aber tolle Zuchtvarianten davon, die zeitunabhängig verfügbar sind. In China werden meines Wissens auch schon erfolgreich Morcheln gezüchtet. In der Küche gibt es noch viel Potenzial, bei dem ich nur hoffen kann, dass es in der Zukunft vermehrt genutzt wird.

Möchten Sie das den Gastronominnen und Gastronomen mit auf den Weg geben?

Ganz genau. Manche meiner Berufskollegen und -kolleginnen sind etwas stur. Ich würde dazu anregen, das Kochen von Pilzen weniger auf den Herbst zu begrenzen  und die vielen vorhandenen Sorten und Möglichkeiten zu nutzen. Da gibt es zum Beispiel Piccata vom Austernseitling, Pilze im Brotteig, süsssaure Pilzgerichte als Vorspeise und noch etliches mehr. Mein anderer Punkt ist: Man kann auch mit einfachen Produkten absolute Spitzengerichte kreieren. Ich habe zum Beispiel einmal an Silvester Ghackets mit Hörnli in ein Menü eingebaut und mit Pilzen und Trüffel verfeinert. Man darf da ruhig mutig sein.

Bilder: Thuri Maag

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Thuri Maag mit einer «Krausen Glucke», auch «Fette Henne» genannt.
raphael dorigo salat

Raphael Dorigo

Autor

Als Sprachgourmet kreiere ich leidenschaftlich Texte, die mehr sind als Wortsalat.

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