Marco Mehr hatte als junger Koch eine intensive, erfolgreiche Zeit. Heute setzt er seine Erfahrung für den Nachwuchs ein. Mit uns hat er über die heutige Jugend und deren Bedürfnisse beim Erlernen des Kochberufs gesprochen.

In Kürze
  • Die Welt und die Gesellschaft hätten sich gegenüber seiner Zeit verändert, findet Marco Mehr.
  • Angehenden Köchinnen und Köche begegnen heute mehr Informationen, neue Techniken und weniger autoritäre Führung.
  • Die heutigen Lernenden seien mehr auf Work-Life-Balance fixiert und würden mehr hinterfragen.
  • Heutige Lernende solle man fördern und fordern und ihnen Leidenschaft vermitteln.

 

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Zur Person

Marco Mehr

Marco Mehr kochte zehn Jahre lang in renommierten Restaurants in Seoul, Hongkong und Shanghai. Heute arbeitet er bei der Entwicklung von Lehrmitteln mit und unterrichtet angehende Köchinnen und Köche.

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Marco Mehr, fühlen Sie sich jung? 

Ja! Ich gehe zwar auf die 40 zu, und neulich, als ich mit meiner Berufsschulklasse verschiedene Wege des Bestellens besprach, musste ich den Schülerinnen und Schülern erklären, was ein Faxgerät ist (lacht). 90 Prozent der Klasse wussten nicht, was das ist. Es kam ihnen wie futuristische Technik vor, dass da einfach ein Blatt reingeht und an einem anderen Ort wieder rauskommt. Da dachte ich: «Donnerwetter, jetzt werde ich alt.» Aber ich fühle mich überhaupt nicht so. Früher dachte ich: «Ich darf nichts verpassen, ich bin ja schon 26!» Dann ging ich zehn Jahre lang nach Asien, und als ich mit 36 zurückkam, dachte ich: «Ich habe nichts verpasst, ich kann auch jetzt noch alles tun, was ich möchte.» Darum: Ja, ich fühle mich definitiv noch jung.

Sie unterrichten als Berufsschullehrer angehende Köchinnen und Köche. Wie unterscheidet sich der Einstieg in die Gastrowelt heute von damals, als Sie eingestiegen sind?

Dazu muss ich vorausschicken, dass ich in einem Restaurant aufgewachsen bin. Als ich die Lehre begann, war das für mich keine riesige Neuerung – ich wusste schon ungefähr, was auf mich zukommt, weil ich früher schon ab und zu im Betrieb mitgeholfen hatte. Im Vergleich zu damals hat sich sicher die Gesellschaft verändert. Das Internet oder so etwas wie Instagram, wo man sich inspirieren lassen kann, gab es früher nur sehr begrenzt. Auf die heutigen Lernenden prasselt eine enorme Bandbreite an Informationen ein. Es gibt heute in der Küche andere Techniken als früher, und es wird weniger autoritär geführt. Mein Berufsbildner war ein Küchenchef der alten Schule und führte sehr autoritär, was ich nicht schlecht fand. Aber mittlerweile haben sich Umgang und Führung verändert und die heutigen Lernenden hinterfragen Dinge mehr. Das ist auch gut so.

 

Welches sind die Bedürfnisse der Lernenden von heute?

Heute ist den Jungen die Work-Life-Balance wichtig – das Geld steht nicht mehr an erster Stelle. Sie stellen auch viel mehr infrage. Früher hat man einfach ausgeführt; wie im Militär – nicht fragen, einfach machen. Heute wird mehr hinterfragt: «Was ist der Grund dafür, dass ich das mache?» Das erlebe ich des Öfteren in der Berufsschule. Von älteren Menschen hört man immer wieder: «Jaja, die heutigen Jungen …» Aber ich habe wirklich hammermässige Lernende in meiner Klasse. Ja, sie sind anders – man muss sie halt etwas anders führen, anders mit ihnen interagieren.

Was für ein Umfeld wünschen sich die heutigen Lernenden?

Erst einmal wünschen sie sich eine Führung, die weniger autoritär ist, sondern mehr auf sie eingeht und sie begleitet. Das Wort «Coaching» wird in diesem Zusammenhang immer häufiger verwendet. Und ich glaube: Wenn die Lernenden merken, dass man mit Leidenschaft bei der Sache ist, dass man gerne tut, was man tut, und wenn man diese Leidenschaft an sie weitergibt, dann darf man auch fordern. Man darf seine Linie fahren. Sie mögen es sogar, wenn man das tut – solange es eine saubere, faire Linie ist.

Die heutigen Lernenden hinterfragen Dinge mehr. Das ist auch gut so.

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Koch und Berufsschullehrer

Die Jungen fahren ab auf Bilder, Videos und Gamification, das haben wir in unsere digitale Lernwelt eingebaut.

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Koch und Berufsschullehrer

Sie konzipieren auch Lehrmittel für angehende Köchinnen und Köche. Was ist dabei heutzutage wichtig?

Dass man auf die Bedürfnisse der Lernenden eingeht. Man sieht bei TikTok, Instagram und Co., worauf die Jungen abfahren: Bilder, Videos, Gamification. All das haben wir beim Verlag WIGL in unsere neue digitale Lernwelt eingebaut. Die Lernenden erkunden die Inhalte oft spielerisch und abwechslungsreich, mit einem Quiz, mit Gegenfragen und so weiter. Ausserdem ist unser neues Lehrmittel digital vernetzt mit allen drei verfügbaren Lernorten: Die Lernenden haben ein Login für die Plattform, über die sie sich in den Bereich ihres Lernbetriebs, den Bereich der überbetrieblichen Kurse und den Bereich der Berufsfachschule einloggen können.

Haben Sie bereits erfahren, wie das neue Lehrmittel bei den Jungen ankommt?

In der Tat – es kommt sehr gut an. Wir haben es bereits 2023 in vereinzelten Klassen getestet. Diese Klassen wollten schon sehr bald nicht mehr zum alten Lehrmittel zurückkehren. Sie lernen leichter, wenn zum Beispiel die Rezepte mit Bildern und Videos anschaulich illustriert werden.

Was braucht ein junger Mensch, damit er oder sie wie Sie damals in die Junioren-Kochnationalmannschaft kommt?

Das Allerwichtigste ist, dass man Freude daran hat, was man macht, Leidenschaft und Herzblut. Zweitens braucht man jemanden, der einen begleitet – so etwas wie einen Mentor oder eine Mentorin, der oder die einem zeigt, was gefragt ist und was es bedeutet, an einem Wettbewerb zu kochen. Und es braucht auch Durchhaltewillen. Man kann nicht einfach einmal einen schönen Teller anrichten und es ist geschafft. Es braucht Training und Fleiss, das wird sich nie ändern – ohne Fleiss kein Preis. Aber wenn man gerne tut, was man tut, dann ist das nebensächlich.

Was raten Sie jungen Leuten, die am Anfang ihrer Laufbahn als Koch oder Köchin, Bäcker oder Bäckerin stehen?

Von Beginn an möglichst viele Erfahrungen sammeln. Für mich war es wichtig, in meiner Anfangszeit verschiedene Betriebe und Konzepte kennenzulernen und von erfahrenen Köchinnen und Köchen zu lernen. So konnte ich herausfinden, in welche Richtung mich mein beruflicher Weg führen sollte. Ich wollte sowohl in Michelin-Sterne-Restaurants als auch in Saisonbetrieben Erfahrungen sammeln. Ich empfehle es auch jedem jungen Koch und jeder jungen Köchin, eine gewisse Zeit im Ausland zu arbeiten, nachdem er oder sie sich in der Schweiz ein solides Grundwissen erarbeitet hat. Ich tat das, und diese Zeit hat mich beruflich und persönlich stark weitergebracht.

Mir ist sehr wichtig, dass man die Lernenden mit Respekt behandelt.

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Koch und Berufsschullehrer

Und zum Schluss: Welches ist ihr Tipp für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, um den nötigen Nachwuchs zu rekrutieren?

Fördern und fordern. Die jungen Leute begleiten, sie unterstützen, ihnen die nötige Leidenschaft vermitteln. Dann sind sie sehr gewillt, gute Arbeit zu leisten. Mir ist auch sehr wichtig, dass man die Lernenden mit Respekt behandelt. Und dann klappt das, glaube ich. Fairness, Respekt, Fördern und Fordern – viel mehr erwarten die Lernenden nicht.

Foto: Marco Mehr

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Raphael Dorigo

Autor

Als Sprachgourmet kreiere ich leidenschaftlich Texte, die mehr sind als Wortsalat.

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Branche

Gastronomie und Hotellerie

Wir kennen die Bedürfnisse der Gastrobranche und unterstützen Sie umfassend – mit Herz und Leidenschaft.

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