In zwei Jahren vom Heimbackofen zur Produktionsküche oder von null auf 600 vegane Zimtschnecken pro Tag. Und alles ausschliesslich auf Instagram aufgebaut. Das ist die Kurzform der Geschichte von Bianca, ihrer White Rabbit Bakery und des «Moon»-Shops. Wir haben sie und ihr Team besucht und pikante Details erfahren.
Zürich, Rötelstrasse 53. Bäcker Johannes Schreinemachers nimmt uns in Empfang – den Fotografen und die Redaktorin, und führt uns durch enge Gänge in die Produktion. Es ist keine Backstube, sondern eine ehemalige Schulküche. Während wir uns Schuhüberzüge und Haarnetze überstülpen, trifft Bianca ein. Sie ist die Inhaberin der White Rabbit Bakery. Bei Kaffee lernen wir das Team kennen: Heute stehen nebst Bianca Anina, Amal und Johannes im Einsatz. Es ist eine aufgestellte und fröhliche Truppe, das spürt man auf Anhieb.
Start von heute auf morgen
Während Anina, Johannes und Amal sich mit der Herstellung von Cinnamon Rolls (Zimtschnecken), Cardamom und Sticky Buns (Achtung, klebrig, mit Pekannüssen und Caramel) und Himbeer-Cheesecake beschäftigen, erzählt Bianca, wie die White Rabbit Bakery entstand. «Offiziell gestartet habe ich vor zwei Jahren – mitten in der Coronapandemie – in der Küche meiner Mietwohnung und mit einem Instagram-Account», beginnt die gebürtige Dänin mit einem breiten Grinsen zu erzählen. Aber schauen wir noch etwas weiter zurück. Wie kommt eine Dänin in die Schweiz, und warum fängt sie von heute auf morgen an, Zimtschnecken zu backen?
Die Kuchenkultur vermisst
«Ich studierte Betriebsökonomie und kam vor zehn Jahren für ein Austausch-Halbjahr in die Schweiz», beginnt sie. Ihr Vater hatte zufällig ein Stelleninserat in einer dänischen Zeitung entdeckt. So kam Bianca nach Zürich und arbeitete als IT-Geschäftsentwicklerin in einem englischsprachigen Unternehmen. Das kleine Land gefiel ihr. Aber sie vermisste skandinavische Kuchen und Gebäcke. Ihre Leidenschaft für gutes Essen wundert nicht weiter, schliesslich stammt sie aus Dänemark, wo sich die Foodszene ständig weiterentwickelt und die Kuchenkultur eine wichtige Rolle im Zusammenleben spielt.
Freitag ist Zimtschnecken-Tag
«Weil ich keine ähnlich schmackhaften fand, begann ich in meiner Freizeit Zimtschnecken und Co. zu backen.» Dabei setzte sie von Anfang an auf pflanzenbasierte und wenn möglich biologische Produkte. Sie hatte seit jeher ihren Sinn für guten Food über Instagram geteilt. Nun mischte sie ihre veganen, handgemachten, aus besonders fluffigem Hefeteig hergestellten Backerzeugnisse darunter. Schon bald kontaktierte sie ein erster Vegan-Laden. Seither buk sie freitags Zimtschnecken für dessen Wiederverkauf – in ihrem Haushaltbackofen. Dann kam Corona und das IT-Unternehmen, in dem Bianca arbeitete, ging in Kurzarbeit.
Miso intensiviert den Geschmack
Bevor Bianca weitererzählt, holt sie Brownies hervor, um sie «ladenfertig» zu machen. Sie sind dank der Verwendung von Buchweizenmehl glutenfrei. Weitere Zutaten sind Schokolade, Kakaopulver, Zucker und Öl. «Die Schokolade beziehe ich jeweils von Britta Kürzi, meiner Geschäftspartnerin. Britta kauft fair gehandelte Kakaobohnen direkt in Tansania ein und verarbeitet sie von der Bohne bis zur Tafel hier in der Schweiz», erzählt Bianca, während sie Margarine-Häubchen auf die Brownies dressiert und sie mit Miso Salted Caramel sowie getrockneten Blüten garniert. «Wir setzen oft nach japanischer Art fermentiertes Miso ein. Das verhilft unseren Produkten zu einem aussergewöhnlich intensiven Geschmack», verrät Bianca.
Schweizer und lokale Zutaten
Diese und weitere ökologische Delikatessen bezieht sie lokal bei DasPure in Wetzikon. «Durch die Zusammenarbeit mit lokalen Produzenten aus Zürich und Umgebung stellen wir sicher, dass wir beste Zutaten verarbeiten.» Der Anteil an Bio-Produkten liegt bei 95 Prozent. Und Bianca bezieht sämtliche Produkte, ausser Zimt und Kardamom, aus der Schweiz. «Weil es Farinzucker – einen würzigen, braunen Zucker, der mit Caramel und Melasse noch dunkler gefärbt wird in der Schweiz nicht gibt, mischen wir ihn selbst», verrät Bianca.
Weil es Farinzucker in der Schweiz nicht gibt, mischen wir ihn selbst.
Bianca
Inhaberin White Rabbit Bakery
Läuft – dank Instagram
Trotz der Pandemie nahmen die Bestellungen weiter zu. «So bin ich freitags jeweils um vier Uhr in der Früh aufgestanden, um die bis zu 350 bestellten Cinnamon Rolls rechtzeitig ausliefern zu können», fährt Bianca fort. Beim Ausliefern lernte sie Johannes kennen. Schon bald stand er mit ihr in der Küche und half beim Zimtschnecken-Backen. Nun wurde die Haushaltküche endgültig zu klein – und plötzlich ging alles sehr schnell: Im April 2021 verlegte Bianca die Produktion in diese zertifizierte Küche, in der wir stehen. Und jetzt platzt auch sie schon aus allen Nähten. «Das letzte Jahr war crazy! Ich habe nicht erwartet, dass es so schnell gehen würde mit der White Rabbit Bakery. Und alles ist einzig über meinen Instagram-Account gelaufen», staunt sie selbst.
Cheesecake mischen und Zimtschnecken rollen
Bianca geht mit dem Fotografen Jonas nach draussen, um für Porträtbilder zu posieren. Ich schaue Bäckerin Anina zu, wie sie für den Tortenboden veganen Spekulatius und Margarine zerbröselt. Sie mischt die Masse aus Seidentofu, veganem Frischkäse, Zucker, Maizena und Himbeerkonfitüre, gibt alles in eine Backform und schiebt den Cheesecake in den Ofen. Daneben rollt Johannes den Hefeteig aus, verteilt Füllung darauf, legt den Teig geschickt zusammen, schneidet und dreht elegant die Zimtschnecken und setzt sie auf ein Blech ab. Alles geht ruckzuck, sodass ich beim Zuschauen kaum folgen kann.
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Herausforderungen beim Backen
Ich frage Johannes, was bei der Herstellung von veganem Gebäck das Herausforderndste sei. Er antwortet: «Schlagrahm – wegen der schwachen Schlagstabilität des Sojarahms. Zudem alle Produkte mit Ei als Hauptbestandteil. Eine Möglichkeit, Eier als Bindemittel zu ersetzen, ist, Leinsamenmehl und Wasser quellen zu lassen.» Der Ofenalarm ertönt und Johannes holt eine Charge gebackener Cinnamon Rolls aus dem Ofen. Gleichzeitig geht die Eingangstür auf und Bianca und Jonas kommen vom Shooting retour. Wir verabschieden uns von der Backcrew und verabreden uns mit Bianca rund eine halbe Stunde später im «Moon»-Shop.
Frühling im «Moon»
Ich fahre im Auto von Jonas mit zum Laden an der Bertastrasse in Zürich-Wiedikon. Schon beim Aussteigen fällt uns auf: Wir befinden uns fernab vom bekannten Stadt-Einheitsbrei – vielmehr finden wir ein grünes Viertel vor – im Frühling bekannt als einer der Zürcher Blüten-Hotspots. Drinnen im Shop werden wir mit feinstem Kaffee empfangen. Bianca und Britta Kürzi trafen sich erstmals vor anderthalb Jahren. Die Chemie zwischen den beiden Frauen stimmte auf Anhieb, und so haben sie ihren Traum von einem eigenen Pop-up für Genuss und Schönheit gemeinsam wahrgemacht.
«Hipp und trendy» trifft den Nerv der Zeit
Dank erfolgreichem Crowdfunding verwöhnen die beiden jungen Frauen ihre Kundschaft seit letztem Herbst im «Moon»-Shop mit feinsten Cinnamon Rolls und weiteren skandinavischen Buns sowie köstlicher Bean-to-Bar-Schokolade; jeweils von Mittwoch bis Sonntag. «Die Samstage laufen am besten – da verkaufen wir bis zu 600 Cinnamon Rolls», freut sich die soeben eintreffende Bianca. «Die Gemeinschaft ist ein wichtiger Teil unseres Geschäftskonzepts. Bei uns kommen hippe und trendige Leute vorbei; besonders viele Frauen, auch Mamis mit Kinderwagen sowie junge Familien mit kleinen Kindern – wir scheinen den Nerv der Zeit zu treffen», sagt die vife Geschäftsfrau und nippt zufrieden an ihrem Caffè Latte.
Bilder: Jonas Weibel
White Rabbit Bakery Zürich
Gegründet: am 14. April 2020
Start-up: als Online-Bäckerei auf Instagram
Inhaberin: Bianca Legorreta
Spezialisiert: auf 100 % vegane skandinavische Kuchen und Gebäcke
Bestseller: sind die Cinnamon Rolls (Zimtschnecken)
«Moon»-Shop in Zürich-Wiedikon: Gegründet durch Bianca und Britta von Kürzi Kakao; eröffnet am 14. Oktober 2021. Sie bieten vegane Bean-to-Bar-Schokolade, Danish Pastry sowie Barista-made-Drinks an: kuerzik-akao.ch/moonshopzurich.
Wiederverkauf der Gebäcke: in neun weiteren Vegan-Läden und -Restaurants in Zürich und Umgebung.