Im Restaurant Barbès erleben Gäste ein Stück orientalische Kultur inmitten von Luzern. Ins Auge fallen die Kontraste: Schwarzweissbilder, buntes Geschirr und Lampen mit Schatteneffekt. In der Nase entfalten sich Düfte und Aromen wie auf einem marokkanischen Markt.
- Im Restaurant Barbès in Luzern servieren Lavinja Keller und Hamid El Kinani marokkanische Gerichte.
- Köchin Fatima erzählt, wie eine traditionelle Tajine gekocht wird.
- Sie gibt Einblick in die verschieden Ras el Hanout-Gewürzmischungen.
- Wissenswertes zum «Thé à la menthe», dem marokkanischen Nationalgetränk.
Die Luzerner Neustadt ist bekannt als Trend- und Genussquartier. Hierhin zieht es uns heute, den Fotografen Holger und mich, die Redaktorin. Es ist Mittagszeit und die meisten Leute, die uns auf der Strasse begegnen, tragen diesen «hungrigen» Ausdruck mit dem suchenden Blick nach Essensmöglichkeiten im Gesicht. Als wir im Restaurant Barbès an der Winkelriedstrasse 62 eintreffen, werden wir trotz Hektik – das Lokal ist gut besetzt – sehr herzlich vom Inhaberpaar Lavinja Keller und Hamid El Kinani und seinem Team begrüsst.
Willkommen im Orient
Während Holger sich auf die Jagd nach guten Sujets im Mittagsservice macht, sehe ich mich im Lokal um. Die Bilder aus dem nordafrikanischen Staat, das Geschirr mit farbigen Mosaikmustern und die Teelichter auf den Tischen sowie die Deckenlampen mit Schatteneffekt verbreiten eine orientalische Stimmung. An der Wand neben dem Türbogen, der in den Hinterraum führt, hängt noch ein altes schwarzes Telefon mit Wählscheibe. Darüber steht in rotbrauner Schrift auf Arabisch «öffentliches Telefon», übersetzt mir Lavinja später.
Eingelullt in Gefühle fast wie aus tausendundeiner Nacht, studiere ich die Speisekarte. Als Erstes erfahre ich mehr über den Namen «Barbès»: Es ist ein Ort, an dem Fernweh und Heimweh oft eins sind – wie im gleichnamigen multikulturellen Stadtviertel in Paris. Auf den nächsten Seiten folgt ein grosses Angebot an Speisen und Getränken. «Die Marokkaner geniessen ausgeprägte Menüs vor allem abends. Mittags nehmen sie sich nur kurz Zeit und essen verschiedene Vorspeisen, sogenannte Mezze, oder eher kleine Menüs wie die beiden im Barbès täglich wechselnden», klärt mich Lavinja später auf. Zurück zum Menü: Heute gibt es Rindstajine mit Dörrzwetschgen und Couscous oder Gemüsetajine, garniert mit Fetacrème. Beides wird mit einem Bulgursalat als Vorspeise serviert. Tajine bezeichnet nicht nur den Keramikkochtopf der Berber, sondern gibt inzwischen auch dem Gericht seinen Namen, lese ich in der Speisekarte.
Ras el Hanout ist das typische Gewürz für Schmorgerichte aus der Tajine.
Fatima, Köchin
Barbès
6003 Luzern
Gegründet: 2010
Inhaber: Lavinja Keller und Hamid El Kinani
Schweden trifft auf Marokko: Lavinja hat einen Schweizer Vater und eine schwedische Mutter. Lavinja kam 2001 für eine Sommersaison in die Schweiz, blieb und absolvierte die Hotelfachschule in Zürich und lernte den aus Casablanca stammenden Marokkaner Hamid El Kinani kennen.
Mitarbeitende: 13 Personen, davon 4 Vollzeit, alle anderen in Teilzeit, mitunter Studierende
Auffällig: Die Altersrange der Gäste ist riesig, davon sind 80 % weiblich. Von den Mitarbeitenden sind sogar 90 % weiblich.
Beliebt: Tajine «Poulet au Citron» – geschmorte Poulet-Oberschenkel mit in Salz eingelegten Zitronen, Oliven und Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch und Gewürzen
Bestseller: Vielfältige orientalische Tapas (Mezze)
Würziges für Auge, Nase und Gaumen
In diesem Moment kommt Fatima durch den Türbogen aus dem Hinterzimmer und begrüsst uns. Die in Marrakesch geborene Marokkanerin gehört zur Küchencrew im «Barbès». Sie macht mich mit der marokkanischen Gewürzwelt vertraut. «Ras el Hanout ist das typische Gewürz für Schmorgerichte aus der Tajine», erklärt Fatima, während sie viele verschiedene vorbereitete Schälchen mit Gewürzen und Gewürzmischungen auf dem Tisch ausbreitet. Ras el Hanout hat seinen Ursprung in den Ländern im Nordwesten Afrikas und wird für zahlreiche Speisen eingesetzt.
«Die Basismischung besteht aus Kreuzkümmel, Ingwer, Koriander, Kurkuma, Pfeffer und Mistika», zählt Fatima auf. Weiter erfahre ich von ihr, dass Ras el Hanout durch weitere Gewürze ergänzt wird, je nachdem, was damit gewürzt wird. Eine wird für gehacktes Fleisch verwendet. Sie enthält zusätzlich Paprika, was für die rötere Farbe sorgt, sowie Koriander. Eine andere mit Zimt, Sternanis und Nelken wird für süssliche Speisen verwendet. «Die Mischung heisst ‹Mursia›», so Fatima. Die Gewürzmischung für Pouletfleisch ergänzt sie zusätzlich mit Ingwer und Kurkuma. Eine weitere Mischung für Couscous und eine für rotes Fleisch, zum Beispiel Voressen vom Lamm oder Rind.
Zauberformel «Zeit»
Als Nächstes demonstriert uns Fatima, wie man das Schmorgericht Tajine herstellt. Sie bereitet die Mittagsversion mit Dörrzwetschgen zu: Dazu gibt Fatima Rindfleischwürfel, Zwiebelringe und Olivenöl in die Tajine und streut etwas Salz dazu. Dann nimmt sie die Schale mit der Mursia und streut mit zwei Fingern reichlich davon darüber. Anschliessend mischt sie alles sorgfältig von Hand, bevor sie das Gargut in der Küche zum Schmoren aufsetzt. Lavinja kommt dazu und erklärt: «Der dickwandige, runde Schmortopf aus Ton mit konischem Deckel funktioniert ähnlich wie ein Römertopf: Er verteilt die Hitze langsam und regelmässig, sodass der Inhalt schonend garen kann.»
Während die Tajine schmort, bleibt Zeit, das Nationalgetränk Marokkos zu degustieren: den Thé à la menthe. «Er wird praktisch zu jeder Tageszeit und überall sehr heiss und sehr süss getrunken. Gebrüht wird er aus chinesischem Grüntee, aromatisiert mit frischer Minze, nach Vorliebe parfümiert mit Wermutblättern, Basilienkraut, Orangenblüten oder Johanniskraut», weiss Lavinja. Wir schauen Fatima zu, wie sie den ziehenden Tee zur Prüfung mehrmals in ein Glas giesst und wieder zurück in die Kanne, damit er sich gut vermischt. Als sie mit der Farbe zufrieden ist, schenkt sie uns allen vom frisch gebrühten Tee in die Gläser. «Es ist Begrüssungsgetränk und Digestif in einem und dient gleichermassen als Erfrischung im Sommer wie als Aufwärmtrunk, wenn es draussen kühler ist, so wie jetzt», sagt Lavinja, bevor wir das Nationalgetränk kosten. Wir stellen fest: Sehr süss ist nicht übertrieben!
Die Tajine ist bereit und schmeckt zusammen mit dem hausgemachten Fladenbrot vorzüglich. Was für ein wunderbarer Ausflug in die marokkanische Küche!
Bilder: Holger Jacob
Es ist Begrüssungsgetränk und Digestif in einem.
Lavinja, Inhaberin