Lukas Porro ist Bier-Sommelier und CEO der Brauerei «Lägerebräu». Wir haben mit ihm (nicht zu tief ) ins Glas geschaut und neue Facetten und Tiefen des Themas Bier entdeckt – rund um Ausschank, Konsum, Kultur und Hefe.
Lukas Porro, stimmt es, dass Ihnen Ihr erstes Glas Bier zu bitter war?
Chapeau, Sie sind gut informiert (lacht)! Ja, das müsste um meinen 16. Geburtstag herum gewesen sein. Im Kreis der Kumpels wollte man sich das aber nicht anmerken lassen – ein Bier muss man als echter Mann ja mögen, dachte man sich. Der Geschmack für bittere Aromen entwickelt sich erst ab der Kindheit und verstärkt sich mit dem Erwachsenwerden, und damals schmeckte mir das eben noch nicht. Ich musste mich daran gewöhnen, dem Bier eine zweite, dritte Chance geben. Heute kann es mir gar nicht bitter genug sein – ich liebe die Vielfalt der Geschmäcker.
Lukas Porro
Der frühere Sportlehrer aus Zürich ist heute Bier-Sommelier mit langjähriger Branchenerfahrung, leitet eine Brauerei und bietet freiberuflich Bierevents und -beratungen an. 2023 wurde er Schweizer Meister der Bier-Sommeliers.
Bier-Sommeliers sollen dem Bier in der Gastronomie mehr Ansehen verschaffen. Wie macht man das?
Der Bier-Sommelier war ursprünglich ein Vorkoster am Hof, der sich zum Mundschenk entwickelte. Man merkte: Es hilft, etwas zu wissen über das Produkt, das man dem König vorsetzt. Der Bier-Sommelier soll eine Orientierung geben und beratend wirken. Er soll auch Gäste von der Vielfalt, die Gastronominnen und Gastronomen anbieten, begeistern und die Geschichten dahinter erzählen. Er soll in Bezug auf Food-Pairings über die Eigenheiten des Biers und des Essens aufklären. Kurz und knapp: Er soll begeistern und beraten.
Was wünschen Sie sich von den Gastronominnen und Gastronomen?
Einerseits Sorgfalt gegenüber dem Naturprodukt Bier, andererseits Mut bei der Sortimentsvielfalt. Ich fände es ebenfalls wünschenswert, dass Gastronominnen und Gastronomen oder zumindest Serviceleute sich weiterbilden, damit sie wissen, was sie verkaufen. Die Fürsorge für das Bier beginnt bei der kühlen, dunklen Lagerung und reicht über den Ausschank bis zur Präsentation: Man soll das Bier nicht einfach hinklatschen, sondern adrett hinstellen, «zum Wohl» wünschen und das Logo der Brauerei zum Gast hindrehen. Solche kleinen Sachen in Kombination mit einer guten Bierkarte können viel Freude bringen.
Thema Food-Pairing: Welche Kombinationen erachten Sie als besonders spannend?
Ich mag vor allem Kontraste. Im Dessertbereich lässt sich eine Panna Cotta mit einem Imperial Stout kombinieren. Die Leute können sich meist nicht vorstellen, ein Bier zu einem Dessert zu trinken – aber das Cremig-Vanillige zusammen mit dem Dunkelschokoladig-Kräftigen ergibt eine schöne Cappuccino-Note im Mund. Man kann auch mit Reizen statt nur mit den Grundgeschmäckern spielen: Man nimmt zum Beispiel ein Schokoladensoufflé, kombiniert es mit einem Kriek, einem belgischen Sauerkirschbier, und bringt dann noch mit Chiliflocken einen sogenannten trigeminalen Reiz hinein. Solche Dinge begeistern mich – die Möglichkeiten sind unerschöpflich. Bei 150 Bierstilen findet sich immer einer, der passt.
Bei 150 Bierstilen findet sich immer einer, der passt.
Lukas Porro
Bier-Sommelier
Was sind die No-Gos beim Ausschenken von Bier?
Durch den Schaum ist Bier das einzige Getränk, das von Natur aus einen gewissen Food Appeal mitbringt. Serviert man es mit einer dicken Schaumkrone, ist das enorm «amächelig». Auf dem Weg dorthin kann man allerdings einiges falsch machen: Es beginnt mit der Auswahl des Glases für den jeweiligen Bierstil. Noch wichtiger ist es, ein sauberes Glas zu verwenden, da Staub- oder Seifenreste den Schaum zerstören. Auch sollte man die Tülle, das Metallrohr am Zapfhahn, nicht in das Bier eintauchen – dort können sich Mikroorganismen bilden, die das Getränk verderben. Und der grösste Fehler: mit dem Lappen, mit dem man gerade das ganze Buffet geputzt hat, noch die Tülle am Zapfhahn abwischen. So bringt man Bakterien an den Hahn, die über die Bierleitung bis in den Tank gelangen können.
Sie haben einmal gesagt, Sie hoffen, dass das Standard-Lagerbier weiter an Marktanteil verliert. Warum?
Grundsätzlich hat jeder Bierstil seine Berechtigung. Leider wird immer noch häufig eine generische «Stange» bestellt. Das bezeichnet eigentlich nur das Gefäss, in dem das gewünschte Bier – ein Standard- Lagerbier hell – eingeschenkt wird. Dabei ist die Vielfalt so gross, dass man ruhig einmal etwas ausprobieren kann. Natürlich hat das Lagerbier absolut seine Berechtigung: Es passt zum Beispiel wunderbar, wenn man draussen grilliert und plaudert und es als aromatischen Durstlöscher trinkt. Wenn man aber zum Beispiel ein Imperial Stout probiert, wird klar: Man kann daneben nicht gleich konzentriert plaudern; die Komplexität des Biers braucht Aufmerksamkeit.
Welche Rolle spielt die Hefe beim Brauen?
Wir teilen die Hefen grob in sogenannte obergärige und untergärige Hefen ein. Letztere sind der Standard beim typischen Lagerbier. Untergärig bedeutet, dass die Hefe bei kühlen Temperaturen «sauber» arbeitet und aus dem gebrauten Zuckerwasser nur CO2 und Alkohol herstellt. Obergärige Hefen haben es gerne wärmer und werden zum Beispiel bei Weizenbier eingesetzt: Sie lassen zusätzlich die Gärnebenprodukte Ester und Phenol entstehen. Ester bringt fruchtige Aromen wie Banane hervor, Phenol sorgt für ein Nelkenaroma. Es gibt heute etwa 200 verschiedene Hefestämme für das Bierbrauen,und die haben einen massgeblichen Anteil am Bierstil. Da gibt es zum Beispiel Ale-Hefe, die Aromen von Grüntee und erdige Noten hervorbringt, oder Wildhefe, die für einen «funky» Ledergeruch sorgt. Die Hefe ist der Dominator in der Einteilung des Bierstils.
Es gibt heute 200 verschiedene Hefestämme für das Bierbrauen.
Lukas Porro
Bier-Sommelier
Der Schweizer Bierkonsum ist seit 1990 um fast 25 Prozent zurückgegangen. Wie sehen Sie den Zustand der Schweizer Bierkultur?
Grundsätzlich geht es ihr sehr gut. Der Rückgang hat zum Beispiel mit Arbeitssicherheit zu tun: Früher nahm ein Plattenleger gerne einen Kasten Halbliter-Bierflaschen mit zur Baustelle und hatte den am Abend ausgetrunken. Die heutige junge Generation legt viel Wert auf Gesundheit. Wenn es einmal ein Bier gibt, dann gerne etwas Spezielles, Aromatisches, durchaus auch Teureres, nicht in rauen Mengen. Auch der Stellenwert des alkoholfreien Biers spielt eine grosse Rolle: Heutzutage lässt es sich relativ günstig produzieren und hat aktuell rund sechs Prozent Marktanteil. Wenn man das miteinberechnet, ist der Bierkonsum nicht ganz so weit zurückgegangen. Natürlich muss man als Bierproduzent seine Absatzkanäle finden. Aber ich bin überzeugt: Wer Qualität bietet, wird bleiben.
Bilder: Lana Svitankova, Simone Hotz, Getty Images LauriPatterson