Das Val Müstair liegt am südöstlichsten Zipfel Graubündens. Abgelegen zwar, aber voller Schätze einer intakten Kultur- und Naturlandschaft. Der Meier-beck stellt aus dem im Tal angebauten Bergroggen Brot her, das er bis auf den letzten Krümel verwertet. Und auch sonst sind seine Spezialitäten in der ganzen Schweiz bekannt. Ein Besuch am Anfang der Welt.
Es ist 00.30 Uhr an einem bitterkalten Morgen im Münstertal, als wir – der Fotograf, der Videoredaktor und ich, die Autorin – beim Meier-beck in Santa Maria eintreffen. Geschäftsführer Giancarlo Marco De Santis (Kurzname: Marco) öffnet uns die Tür, heisst uns willkommen und führt uns sogleich in die Backstube. Die drei Bäcker Karl, Harald und Florian erwarten uns bereits.
Karl beginnt mit der Teigzubereitung für das «Paun sejel» oder «Paun jauer», wie die Münstertaler ihr Roggenbrot nennen. Seine Handgriffe sind flink und sitzen – kein Wunder: «Ich arbeite bereits seit 40 Jahren im Betrieb», erklärt der sympathische Südtiroler.
Vom Münstertaler Doppellaib
Der am Vorabend hergestellte Roggenvorteig – bestehend aus Mehl, Wasser und wenig Backhefe – liegt bereits in der Knetmaschine. Karl fügt Wasser, Mehl, Backhefe und Salz hinzu und startet die Knetmaschine.
«Der Teig ist fertig geknetet, wenn es ihn am Knethaken aufzieht und er sich vom Kesselrand löst», sagt Karl und stellt die Knetmaschine ab. Rund 35 Liter Roggenbrotteig verarbeiten die Bäcker an diesem Morgen. Karl holt Teigstück um Teigstück aus der Knetmaschine, legt sie auf die Waagschale und prüft, ob das Gewicht stimmt (es stimmt fast immer). Währenddessen formen Harald und Florian die abgewogenen Teigstücke zu runden Laiben. «Der runde Doppellaib ist typisch für das Münstertaler Roggenbrot», erklärt Harald, während alle drei in horrendem Tempo weiterarbeiten. Schon nimmt Karl das letzte Stück Roggenteig aus der Knetmaschine. Anschliessend schiebt Harald die Brote samt Einschiessapparat in den warmen Gärschrank auf der linken Seite des Backofens.
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Bis zum letzten Brotkrümel
«Die Zutaten für das Bergroggenbrot sind aus dem Val Müstair. Aus den nicht verkauften Broten stellen wir diese Bergroggen-Chips sowie Croûtons und Paniermehl her. Aufgrund der hochwertigen lokalen Rohstoffe dürfen wir diese Produkte mit den Labels ‹Slow Food Presidi› und ‹Parc da natüra Biosfera Val Müstair› versehen. Das ganze Tal ist seit 2011 als regionaler Naturpark ausgezeichnet», sagt Marco stolz und zeigt auf die Auszeichnungen auf der Brot-Chips-Verpackung. «Das ist noch nicht alles», schmunzelt er, «dieses Jahr haben wir eine weitere Spezialität ins Leben gerufen, um den letzten Brotkrümel, zu verwerten: ‹Brösmali›, unsere Spirituose – hergestellt aus Paniermehl, Weizenmehl von Gran Alpin und reinem Münstertaler Bergquellwasser; gebrannt in der welt-weit höchstgelegenen Spezialitätenbrennerei im Nachbardorf Tschierv.»
Aus Roggen von hier
Marco kommt in die Backstube. Er erfasst die Situation mit Blick in Richtung Gärraum und meint: «Der Roggen stammt von hier. Bauer Johannes Fallet vom Klosterhof St. Johann in Müstair baut für uns eine alte, fast vergessene Berggetreidesorte an. Diese ist besonders zäh und behauptet sich auf mageren Böden. Getreide hat hier besonders harte und lange Winter mit bis zu 120 Tagen Schnee zu überstehen. Herkömmliches Wintergetreide erträgt eine Schneedecke höchstens 100 Tage, ohne zu ersticken», weiss der Geschäftsführer. Allein unsere gestrige Anfahrt von Tal zu Tal zeigte, wie komplex die Verhältnisse in den Bergen sind (siehe Video). Zurück zum Gärschrank. In der Zwischenzeit sind die Roggenteiglinge aufgegangen und bereit für den Backprozess. Harald zieht den Einschiessapparat aus dem Gärraum. Gemeinsam beschicken er und Karl Etage für Etage des 240 Grad heissen Ofens mit den Brotteiglingen. Während diese backen, suche ich Marco auf.
Gran Alpin
Bauer Fallet arbeitet eng mit Gran Alpin zusammen. Die Genossenschaft hat zum Ziel, den Bergackerbau in Graubünden zu fördern. Sie organisiert die Weiterverarbeitung des Getreides, das Marketing, den Vertrieb und fördert die Erforschung von Berggetreiden.»
Der Roggen stammt von hier. Bauer Johannes Fallet baut für uns eine alte, fast vergessene Berggetreidesorte an.
Marco De Santis,
Geschäftsführer Meier-beck
Nischenprodukte aus lokalen Rohstoffen
Er beschäftigt sich in diesen frühen Morgenstunden mit seiner Herzensangelegenheit – der Verwertung von Brot bis zum letzten Krümel –, aus der viele kleine Projekte entstanden sind. Während er luftgetrocknete Bergroggen-Chips abfüllt, erzählt er: «Im Val Müstair leben die Menschen seit jeher im Einklang mit der Natur. Für alle unsere Spezialitäten beziehen wir die Rohstoffe, wenn immer möglich lokal, aus der Region und der Schweiz. Dies ermöglicht es dem Meier-beck, sich erfolgreich in einem Nischenmarkt zu behaupten. Die meisten unserer Spezialitäten tragen ein oder sogar mehrere Labels wie die ‹Bio Suisse Knospe›, ‹Schweizer UrDinkel›, ‹Glutenfrei› etc.»
Aus den nicht verkauften Bio-Roggenbroten stellen wir Brotchips sowie auch Croûtons und Paniermehl her.
Marco De Santis
Geschäftsführer Meier-beck
Bio-Nusstorten mit Bündner Bio-Baumnüssen
Heute stehen unter anderen Bündner Nusstorten auf dem Programm. Karl rollt den vorbereiteten Mürbeteig flink auf der Teigausrollmaschine aus – es ist ein Tischgerät mit einer Handkurbel anstelle eines Motors. Anschliessend legt er den Teig geschickt in den Backringen aus. Harald füllt die Vertiefungen mit der ausgekühlten Nussfüllung – gekocht aus Zucker, Rahm, Milch, Honig und Baumnüssen. Dann setzt Karl gekonnt den Mürbeteigdeckel auf und Florian drückt ihn mit einer speziellen Vorrichtung fest. «Damit beim Backen keine Luftblasen entstehen», sagts und schiebt den Wagen mit den Nusstorten in den Stikkenofen. Die Torten backen eine gute halbe Stunde bei Umluft: Qualität, die duftet. Marco erzählt freudig, während wir durchs Ofenfenster schauen: «Unsere Bio-Nusstorte war am 8. Oktober 2013 Testsieger in der ‹Kassensturz›-Degustation. Seit diesem Jahr können wir erstmals ‹Bio Knospe›-Nusstorten mit ‹Bio Suisse Knospe›-Baumnüssen aus Malans anbieten.»
Am A der Welt
Zeit für eine Pause. Marco lädt uns drei inzwischen doch etwas Ermüdeten zu Kaffee und Gipfeli ein. In der heimeligen Stube aus dem Jahr 1670, die heute als Café dient, kommen wir wieder zu Kräften.
Es ist kurz vor 6.30 Uhr, als Geschäftsführerin Lucia Meier, Marcos Partnerin, eintrifft und eifrig beginnt, die frischgebackenen Roggenbrote in die Brotregale des Ladens zu räumen, damit bei Öffnung alles bereit ist. «Dank viel Präsenz an nationalen wie internationalen Foodmessen, Bio- und Passmärkten von meinen Eltern und uns sind unsere Spezialitäten weit über die Kantons- und Landesgrenzen hinaus bekannt. Wir haben einen Onlineshop und versenden achtzig Prozent unserer Spezialitäten in die ganze Schweiz. Das sind über 30 000 Pakete pro Jahr», sagt Lucia stolz. Ein Indiz dafür, warum das scheinbar abgeschiedene Tal vielmehr am Anfang als am Ende der Welt liegt ...
Wir versenden 80 Prozent unserer Spezialitäten in die ganze Schweiz – über 30 000 Pakete pro Jahr.
Lucia Meier
Geschäftsführerin Meier-beck
Meier-beck, Sta. Maria (Val Müstair)
Meinrad, ein gebürtiger Luzerner, und seine einheimische Frau Verena erwarben die Dorfbäckerei im Zentrum von Santa Maria im Jahr 1973. Im Mai 2012 trat Tochter Lucia Meier zusammen mit ihrem Partner, Giancarlo Marco De Santis, in ihre Fussstapfen. Bis heute halten sie am Slogan «Qualität ist kein Zufall» fest und führen den Meier-beck mit grossem Elan. In den letzten 40 Jahren wurden über 30 Lernende erfolgreich ausgebildet. Bäcker Karl war der erste Lehrling, und die ehemalige Lernende und heutige Mitarbeiterin Nadja Thöni wurde im Jahr 2012 gar «Swiss Baker Champion». Sie beide mit dem ganzen Team hüten das Erfolgsgeheimnis der Bäckerei aus dem abgeschiedenen Tal. Jedes Produkt wird mit viel Handwerksstolz aus hochwertigen Rohstoffen hergestellt und erzählt seine ganz eigene Geschichte: Schaibiettas, Tamburins, Bauernbirnbrot und vieles mehr freut sich darauf, probiert zu werden.
Bilder: Holger Jacob
Bio Grischun Publikumspreis
«Uns ist es wichtig, dass wir unsere Rohstoffe möglichst lokal oder regional beziehen», sagt Lucia Meier. Die meisten landwirtschaftlichen Betriebe im Tal produzieren biologisch. Weil der Meier-beck auf eben diese Produkte setzt, ist er mit dem Bio Grischun Publikumspreis ausgezeichnet worden.