Der Eingang ist unscheinbar, der Name verspricht Futuristisches. «Das Morgen» in Vitznau am Vierwaldstättersee unterliegt einem Konzept des steten Wandels. Das Hotel teilt seine Gastronomieangebote in drei Zonen: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Das «Morgen» ist eines von drei Hotels der Pühringer-Gruppe nebst dem Fünf-Sterne-Parkhotel und dem Campus Hotel Hertenstein auf der Halbinsel der Nachbargemeinde Weggis. Der Um- und Weiterbau geht kontinuierlich voran. Ein moderner Musiksaal wird in den nächsten Monaten fertiggestellt. Seit März 2022 zieht der umtriebige Andy Vorbusch die Fäden für die Planung und Produktion des gesamten «Süsskrams» der drei Hotels. Süsskram? Lachend klärt der gebürtige Hamburger auf: «Für mich ist das ein Sammelbegriff von Desserts und Süssspeisen aller Art.» Nach einer Kochlehre wechselte Andy Vorbusch in die Patisserie. Seit zehn Jahren arbeitet er in Drei-Sterne-Restaurants und wurde 2007 in Deutschland Patissier des Jahres.
Die Herstellung von Süsskram macht Spass.
Andy Vorbusch
Executive Pastry Chef
Top Qualität – Hoher Conveniencegrad
Sein Reich befindet sich im Untergeschoss. Darin wirkt er mit drei Mitarbeitenden. Rechts stehen nebeneinander ein Tiefkühlschrank, ein Kombisteamer und ein Etagenofen. In einem weiteren Raum, ausgerüstet mit zwei Klimaanlagen, fliesst flüssige Schokolade in einer Praliné-Überzugsmaschine durch ein Gitter. In diesen zwei Räumen produziert das Viererteam sämtliche Desserts und Süssspeisen für alle Hotelbetriebe. «Wir bereiten hier die Desserts mit einem hohen Conveniencegrad her, so dass die Köche nur noch anrichten müssen», erklärt Andy Vorbusch. Seine Kollegin Andrea Szabo legt in einer länglichen Form knusprig gebackenen Blätterteig auf eine luftige Creme und erklärt: «Wir stellen die Cremeschnitten hier her und liefern sie tiefgekühlt in die Hotelküchen. Der Koch muss sie nur noch in vier Zentimeter breite Schnitten schneiden, auftauen lassen und mit Puderzucker bestäuben. Auch sämtliche Glacesorten für die Degustationsmenüs bereiten wir in der benötigten Kugelgrösse vor.»
8 to 5 in der Zuckerküche
Andrea Szabo arbeitete früher im Grand Resort Bad Ragaz mit Andy Vorbusch zusammen und zog vor Kurzem an den Vierwaldstättersee. «Wir sind ein grossartiges Team und arbeiten Hand in Hand, um die grosse Herausforderung zu meistern. Seit März beliefern wir die drei Hotelküchen und stellen dabei die gesamte Produktion um, lernen täglich dazu, optimieren Rezepte und verfeinern die Zubereitungsarten», hält die gebürtige Ungarin begeistert fest. Aussergewöhnlich und attraktiv sind auch die Arbeitszeiten. Das Quartett startet am Morgen um 8 Uhr und macht um 17 Uhr Feierabend. Andrea Szabo schwärmt: «Die Planung ist inzwischen so weit ausgereift, dass wir an den Wochenenden nicht arbeiten müssen.»
Personalisierte Kulinarik
Die Drei-Sterne-Gastronomie bietet einem Patissier die Möglichkeit, seine Kreativität auszuleben. Dabei kann der Gast einerseits überrascht, andererseits aber auch überfordert werden. Im Restaurant steht ein Rotationsverdampfer, mit diesem Gerät kann der Geschmack einer Flüssigkeit, zum Beispiel von Orangensaft, bei tiefen Temperaturen gewonnen werden. Die daraus resultierende klare Flüssigkeit riecht und schmeckt dann beispielsweise nach Orangen. Andy Vorbusch erklärt: «Im Moment kommt der Rotationsverdampfer ausschliesslich für die Herstellung von Parfüm zum Einsatz. Es treibt die personalisierte Kulinarik im ‹Das Morgen› voran. Der Rotationsverdampfer könnte in der Patisserie der Zukunft von grossem Nutzen sein. Wir lassen uns aber noch etwas Zeit, bis wir unsere Rezepturen mit den Parfüms bereichern.»
Ein Geschmackserlebnis mit Grenzen
Andy Vorbusch hat ein Dessert vorbereitet – sehr aufwändig, doch mit einer perfekten Mise en place im Nu zubereitet. Während er ein Glas Schicht für Schicht befüllt, erklärt er seine Vision. «Bei uns geniesst eine Cremeschnitte den gleichen Stellenwert wie ein Gourmetdessert. Wenn der Produzent uns die benötigte Menge und Qualität liefern kann, bestellen wir Produkte immer aus der Region.» Mit einem scharfen Messer schneidet er die eingelegten Erdbeeren in zwei Hälften und legt sie auf die cremige Masse im Glas. «Nach zehn Jahren in Gault-Millau-Betrieben bin ich als Patissier ‹erwachsen› geworden», erzählt er weiter. «Oft werden junge Patissiers geblendet von Geschmackskombinationen, die aussergewöhnlich schmecken sollen. Ich stelle mir bei verrückten Produktkombinationen jeweils die Frage: Begeistere ich meine Gäste so sehr, dass sie die Süssspeise ein zweites Mal bestellen würden?» Aus einer Chromstahlschüssel streicht er mit einem Löffel eine rote, geleeartige Masse heraus und legt sie sachte neben die Erdbeeren. «Bei all unseren Gerichten setzen wir auf Zero Waste. Die Erdbeeren vakuumieren wir mit Wermut und Kamille. So halten sie länger und der Geschmack der Kräuter dringt in die Erdbeere. Den Saft binden wir danach ab und servieren ihn zum Gericht. Wenn es Erdbeerreste gibt, trocken wir sie und stellen aromatische Pürees für Cremes oder Glace her.» Mit einer Pinzette garniert er den Buttermilchschaum mit Zitronenkraut und Estragon.
Wir setzen auf <zero waste>.
Andy Vorbusch Executive Pastry Chef
Executive Pastry Chef
Anleitung zum Genuss
Die verschiedenen Schichten im Glas sehen lecker aus. Doch jetzt kommt die entscheidende Frage, deren Antwort der Geniesser erfahren muss: Wie esse ich das Gericht am besten, um jede Geschmacksrichtung zu schmecken? Die Etagen im Glas enthalten Cheesecake, salzigen Milchstreusel, marinierte Erdbeeren, Meringuestücke und Buttermilchschaum, garniert mit Zitronenkraut und Estragon. Eigentlich ist es fast schade um die schön gestapelte Süssspeise, denn der Löffel soll von oben nach unten hineingesteckt werden; so kostet der Gast von jeder Schicht gleichzeitig etwas. Fantastisch, diese verschiedenen Geschmäcker, die allesamt spürbar die Geschmacksknospen im Mund in Schwingung bringen.
Die sinnvolle Dosis Zucker
«Es muss unbedingt Zucker sein», hält Andy Vorbusch auf meine Frage fest, ob es denn eine Alternative gebe. Zucker sei zwar für manche Krankheit verantwortlich, aber trotzdem unersetzlich bei Süssspeisen. Er und sein Team haben mit etlichen Ersatzstoffen experimentiert; ohne Erfolg. Zucker gebe dem Gericht das gewisse Etwas. Gebäck binde mit Zucker Wasser und bleibe dadurch länger feucht. Zudem sei Zucker ein Geschmacksträger und karamellisierter Zucker ein natürlicher Farbstoff. Weiter führt der Patissier aus: «Bei vielen Gerichten reduzieren wir die Menge Zucker, indem wir vollreife Früchte verwenden. Birnen oder Aprikosen beispielsweise reifen bei Zimmertemperatur nach und erhalten dadurch eine süssere Note. Der grösste konsumierte Zuckeranteil befindet sich in den Süssgetränken. Der Zucker wird missbraucht, weil die Lebensmittelindustrie diesen wahllos einsetzt. Daher ist klar: Die Dosis macht das Gift.»
Die Dosis macht das Gift.
Andy Vorbusch
Executive Pastry Chef
Ein kreatives Team mit Visionen
«Das Morgen» bietet Familien und Rigitouristen die Fünf-Sterne-Süssspeisen zum Schlemmen an. Hier teilen sich Mensch und Maschine die Arbeit. Ein Roboter übernimmt den Service und bringt dem Gast die leckere Süssspeise an den Tisch. Es sieht zukunftsweisend und spassig aus, wie die beiden Roboter Vitzi und Telli mit grösster Präzision den Tisch des Gastes ansteuern. Das Quartett steckt viel Leidenschaft in die moderne Patisserie. «Wir sind ein grossartiges Team, das sich gegenseitig mit viel Fachwissen unterstützt und mit hohem Qualitätsanspruch arbeitet. Die Veredelung der Rohstoffe zu feinen Süssspeisen ist unsere Aufgabe. Im Mittelfeld mitzuschwimmen, war nie mein Ding. Täglich optimieren wir unser Angebot. Wir investieren viel in den Aufbau von Prozessen und in die Detailplanung», erklärt Andy Vorbusch und ergänzt: «Die Mise en place sowohl für den Rigitouristen hier im ‹Das Morgen› als auch für den des Gourmets im Fünf-Sterne-Hotel ‹Parkhotel› bereitzustellen, ist sehr anspruchsvoll und gleicht einem Spagat.»
Was steht noch auf der «To-do-Liste»
Unzufrieden ist der Executive Pastry Chef nicht, doch ein Wunsch auf der «To-do-Liste» wird sich so schnell nicht erfüllen: «Die Administration ist sehr zeitraubend und anstrengend. Gerne würde ich am Morgen einen fixfertigen Produktionsplan erhalten und einfach loslegen, denn es ist das praktische Arbeiten, das mich inspiriert.»
«Das Morgen»
Der Hotelname «Das Morgen» steht für das Erleben von Genuss, basierend auf den Erkenntnissen der neurowissenschaftlichen Forschung.
Vier Gastrokonzepte unter einem Dach
«Das Morgen» bietet 54 individuelle Zimmer und präsentiert sich mit insgesamt vier Gastrokonzepte:
- «Gestern»: In diesem Kulinarikbereich erwartet die Gäste ein gemütliches «Stübli», das auf regionale Gerichte mit modernen Interpretationen setzt.
- «Heute»: Hier gilt hingegen das Prinzip «Jedem Gast sein Gusto».
- «Das Morgen»: Im Fokus steht die Zukunft der Gastronomie, wie der Name bereits verrät. So erfolgt die personalisierte Speisenempfehlung beispielsweise via Smartphone-App, nach der die Morgenköche das individuelle Menü herstellen.
- Rooftop »: Auf dem Dach des Hotels geniesst der Gast bei Drinks oder Snacks den Ausblick über den See und die Berge.
Bilder: Jürg Waldmeier