Das Spezielle am Zopf von Barbara Steffen ist, dass er wie eine echte «Ankezüpfe» aussieht, obwohl er glutenfrei ist. Ganz schön schwierig, eine Züpfe ohne Gluten hinzukriegen. Rund 90 Versuche hat Steffen dafür gebraucht. Wir schauen ihr bei der Herstellung über die Schultern und erfahren, wie sie als Nichtbetroffene auf glutenfreie Produkte kam.
«Unsere gluten- und laktosefreie ‹Ankezüpfe› besteht aus 18 Zutaten» , sagt Barbara Steffen, während sie in ihrer Backstube die Ingredienzen abwägt. «Ganz schön viel, vergleicht man sie mit den sechs Zutaten eines herkömmlichen Zopfs», fügt sie lächelnd an. Im letzten Jahr hat sie sich hier, in Hünibach nahe Thun, ihren Traum von der eigenen glutenfreien Backstube mit ‹Lädeli› und Café verwirklicht.
Unsere gluten- und laktosefreie ‹Ankezüpfe› besteht aus 18 Zutaten.
Barbara Steffen, Inhaberin
Scherenschnitt-Logo
Inhaberin Barbara Steffen und Mitarbeiterin Andrea Reusser, erwarten uns – den Fotografen und die Redaktorin. Die beiden Frauen sitzen draussen auf der Holzbank vor dem Laden und geniessen den Blick auf die Niesen-Bergkette. «Dieses Panorama ist sensationell, deshalb wollte ich die Niesenkette unbedingt in meinem Logo integrieren», erzählt Barbara Steffen und zeigt auf das Logo im Schaufenster , während wir in den Laden treten. Sie sei in den sanften Hügeln des Emmentals aufgewachsen und die Sicht auf die Berner Alpen habe sie schon als Kind in ihren Bann gezogen. An der Wand hängt das Original-Logo – ein echter Scherenschnitt der Niesenkette von der bekannten Scherenschnittkünstlerin Esther Gerber aus Rohrbach.
Flüssiges zuerst
Vom Laden gelangen wir direkt in die Backstube – zurück zur «Züpfe». Als Erstes rührt Barbara Steffen die Trockenhefe mit Wasser an und stellt sie beiseite. Frischhefe treibe zu stark, verreisse den Teig und lasse sich schlecht zöpfeln. Dann mischt sie die Flüssigkeiten in einer Schüssel: Jogurt, Vollei und Milch. «Das ist wichtig, sonst klebt das Mehl wegen der vielen Stärke am Beckenrand und setzt sich ab.» Barbara nimmt eine weitere Zutat und rührt sie unter die Flüssigkeiten: «Was es ist, bleibt mein Geheimnis. Ich erreiche damit, dass die Feuchtigkeit besser im Gebäck bleibt – es ist ein natürliches Produkt», verrät sie. Das Austrocknen sei eine der grössten Herausforderungen bei der Herstellung glutenfreier Gebäcke. Nun schüttet sie die Flüssigkeiten in den Knetkessel, gibt Hefe, Salz, Bindemittel, Backpulver sowie Mehl dazu – eine Mischung aus sieben verschiedenen Mehlsorten. «Glutenfreies Mehl kostet rund das Sechsfache» , vergleicht Barbara Steffen mit Weizenmehl.
Glutenfreies Mehl kostet rund das Sechsfache.
Barbara Steffen, Inhaberin
Nur drei Minuten
Am Schluss fügt sie weiche Butter hinzu, nimmt den Knethaken und spannt den Knetkessel im Rührwerk ein. «Ich lasse den Teig eine Minute auf Stufe eins mischen und anschliessend zwei Minuten auf der zweiten Stufe kneten.» Sie teige mit maximal drei Kilo Mehl, sonst überhabe der Zopfteig. Aufgrund des fehlenden Klebers, dem sogenannten Gluten, habe der Teig kaum Struktur und werde nicht elastisch, erklärt Barbara Steffen.
Die Technik ist das A und O
«Um trotzdem einen einigermassen stabilen Teig zu erhalten, gebe ich Xanthan bei, um den Teig zu binden und zu stabilisieren. Die Zubereitung des Teiges verbunden mit der richtigen Verarbeitungstechnik ist das A und O für ein glutenfreies Brot», lässt sie durchblicken. Zehn Minuten Teigruhe reichten aus. Sie stellt den Knetkessel auf den Chromstahltisch ihrer Backstube.
120 Mal glutenfrei
Zeit für die Znünipause. Andrea Reusser serviert uns Kaffee und Barbara erklärt die glutenfreie Verpflegung, die sie uns zur Degustation bereitgestellt hat: Wir probieren Baguette-Sandwiches, belegte Toastbrötli mit Ei sowie Mandel-Russenzöpfli, Biberli und das «Huusbrot». Sie führe rund 120 glutenfreie Produkte in ihrem Sortiment und erwähnt Ravioli, Bienenstich, Nidlechueche, Torten, Apérogebäck und Konfekt. Alle greifen beherzt zu, auch Andrea Reusser. Als Direktbetroffene sei es nicht selbstverständlich, so herzhaft in ein Sandwich zu beissen – die Angst, etwas zu essen, das die Beschwerden verschlimmert, sei immer präsent.
Glutenfreie Produkte
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Kritik, die Gold wert ist
Zum Glück sei sie bald auf Barbaras Produkte aufmerksam geworden, meint sie erleichtert. Nach der Diagnose Zöliakie vor sechs Jahren habe sie keine Freude mehr am Essen gehabt. «Sie ist meine strengste Kritikerin, aber für mich als Nichtbetroffene Gold wert», sagt Barbara lächelnd. Barbara selbst ist ausgebildete Gastronomie- und Diätköchin, die auch über einen Studienabschluss als Ernährungspsychologische Beraterin IKP verfügt. «Im Jahr 1999 während meiner Ausbildung zur Diätköchin wurde ich erstmals mit der Zöliakie konfrontiert. Mit meinem eigenen Restaurant in Hettiswil war ich im Jahr 2004 eine der Ersten überhaupt, die alles auf der Speisekarte auch glutenfrei anbot», erzählt sie. Ganz nach dem Motto «0815, das cha jo jede!» machte sie ihre Leidenschaft für den glutenfreien Genuss zum Beruf.
Sie ist meine strengste Kritikerin, aber für mich als Nichtbetroffene Gold wert.
Barbara Steffen, Inhaberin
Es braucht nur wenig Mehl, sonst verreissen die Stränge.
Barbara Steffen, Inhaberin
Um die Wette zöpfeln
Zurück in der Backstube wägt Andrea die Teigstränge ab, während Barbara sie zu Strängen rollt und zöpfelt . «Es braucht nur wenig Mehl, sonst verreissen die Stränge» , sagt sie, während sie zöpfelt, als wäre es das Einfachste der Welt und als hätte sie nie etwas anderes getan. Dabei ist es alles andere als einfach: «250 Gramm ist die ideale Zopfgrösse, da der Teig sehr instabil und unelastisch ist», weiss die mehrfach Erprobte. Die beiden Frauen sind ein einge-spieltes Team. Sobald Andrea fertig gewägt hat, streicht sie die fertigen Zöpfli mit Ei an. Dies sorge für zusätzliche Feuchtigkeit, so Barbara. Nach einer Stunde Gärung bäckt Steffen ihre «Ankezüpfli». Mit viel Dampf und nur 15 Minuten. Alle bis auf eines, das bäckt sie fertig aus. «Ich friere die Zöpfli als Frischbackprodukte ein und verkaufe sie vorwiegend über den Online-Shop an private Kunden oder liefere sie meinen zwölf Wiederverkäufern, darunter Drogerien im Berner Oberland, VEBO Gastro Oensingen sowie bis nach Zürich und Basel.
«Huusbrot» aus dem Gusseisentopf
Zum Schluss degustieren wir noch das glutenfreie «Huusbrot». Es sieht einem gewöhnlichen Brot verblüffend ähnlich und schmeckt auch fast wie ein normales, sind wir uns einig. «Ich backe diese Brote in einem Gefäss, ähnlich eines Gusseisentopfes, damit eine Kruste entsteht. Ein Kunde aus Chur sagte mir von Letzt: In ‹Caminada-Kreisen› hat es noch niemand zustande gebracht, ein so feines glutenfreies Brot herzustellen», zitiert ihn Barbara Steffen stolz.
Handwerk vor vegan
«Zum grossen Teil sind meine Produkte nicht nur gluten-, sondern auch laktosefrei, weil viele Zöliakie-Betroffene als Begleiterscheinung oft an einer Laktoseintoleranz leiden. An dritter Stelle steht vegan. Aber nur, wenn es mit natürlichen Produkten machbar ist. Wie zum Beispiel das ‹Smiley-Biberli› – dieses enthält nebst Mandelmasse auch Mandelmilch und Birnel anstelle von Honig. So passt es zu meinem Leitbild; denn all meine Produkte sind handwerklich und wenn möglich ohne Zusatzstoffe hergestellt.» Kurz bevor wir uns auf den Nachhauseweg machen, ist die eine «Ankezüpfli» soweit ausgekühlt, dass wir sie aufschneiden und degustieren können . Sie schmeckt tatsächlich fast wie der Sonntagszopf daheim …
Barbaras Glutenfrei Geniessen
Gegründet: 2019
Mitarbeitende: 1
Inhaberin: Barbara Steffen
Beliebt: Glutenfreie «Ankezüpfe» (auch laktosefrei), Berliner und Biberli
«Lädeli» mit Brotbaum und Café: Freitags von 9 bis 15 Uhr geöffnet; glutenfreie, handwerklich hergestellte Produkte; Highlight ist der Brotbaum mit grosser Auswahl an frischem Brot wie auch das Angebot an saisonaler Patisserie und Gebäck. Auf der Speisekarte steht Hausgemachtes, das zum Verweilen und glutenfrei Geniessen einlädt.
Bilder: Holger Jacob
Barbaras Glutenfrei Geniessen
Hünibachstrasse 116
3626 Hünibach
+41 79 771 51 91
barbara.steffen@bluewin.ch
Zöliakie-Beratung durch Barbara Steffen
Aufgrund ihres Studiums der Ernährungspsychologie rund um Essmuster und -verhalten berät Barbara Steffen Betroffene und ihre Angehörigen direkt am Esstisch. Dort treten die grössten Herausforderungen zwischen gesunden und betroffenen Personen auf. Als leidenschaftliche Gastronomin gibt sie ihr Know-how auch ans Service- und Küchenpersonal weiter. Sind die Betriebe Mitglied bei der IG Zöliakie, übernimmt diese einen Teil der Kosten der Beratung von Barbara Steffen.