Simone Müller-Staubli sprudelt vor Ideen und hat ein Gespür für Gastronomie-Konzepte. Sie hat ein Restaurant mit aufgebaut, in dem hauseigenes Konservieren von Lebensmitteln zum Konzept gehört.
An der letztjährigen HOCHGENUSS präsentierten Sie die Analyse «Convenience auf der Spur»*. Frau Müller, Ihre persönliche Meinung: Wo beginnt und wo endet «hausgemacht»?
Es beginnt beim Konzept, geht weiter zur Menü-Idee und hin zur Menü-Gestaltung. Es fängt also schon sehr früh an, es ist eine Grundhaltung und das Fundament. Und wo es endet? Das Schöne ist, es kann bis zum Gast nach Hause gehen. Das heisst, die Produkte, die ich im Restaurant herstelle und anbiete, kann ich den Gästen auch mitgeben. Im spezifischen Fall des Restaurants «Rössli hü», das ich in der Analyse erwähne, ist das Teil des Konzeptes. Wir haben einen Shop, über den wir die hausgemachten Produkte verkaufen.
Und was erwarten Gäste unter «hausgemacht»?
Der Gast bezieht sich hauptsächlich auf die Art und Weise, wie seine Speisen und Getränke zubereitet werden. «Hausgemacht» bedeutet für ihn, dass Produkte frisch zubereitet werden, also ohne Convenience. Wobei Convenience für den Konsumenten nicht ganz dasselbe ist wie für uns. Für den Konsumenten sind es Fertigprodukte. Für uns beginnt es schon dort, wo wir beispielsweise vorgerüstetes Gemüse nutzen. Ich bin der Meinung, dass es durchaus Sinn macht, solche Convenience-Produkte einzusetzen, um effizienter zu arbeiten und sich auf das konzentrieren zu können, was einen auszeichnet.
Die Kombination von Gastronomie und Marketing ist Ihre Welt. Wie sollte «hausgemacht» vermarktet werden?
Wichtig ist, dass man darüber spricht. Die Gastronomie tut sich manchmal etwas schwer damit, sich selbst zu präsentieren. Weil oft die Angst besteht, dass es falsch rüberkommt, oder das Bewusstsein fehlt, dass solche Details Gäste interessieren. Ich finde, wir dürfen mit Stolz darüber berichten, wie unsere Gerichte entstehen, und zeigen, was wir können.
Inwiefern könnte es falsch rüberkommen?
Sagen wir es so: Kommunikation ist ein sehr grosses Thema in der Gastronomie, gerade auch mit den Gästebewertungen. Das ist eine Hassliebe; davor haben viele Respekt, da auch negative Rückmeldungen kommen. Ich glaube, es ist sehr wichtig, als Gastronom proaktiv über unser Handwerk zu kommunizieren. Das lohnt sich unbedingt, denn gastronomische Inhalte interessieren sowohl die Gäste wie auch die Medien.
Wie kann dieser Respekt genommen werden?
Zuerst mal empfehle ich, zu beobachten, was gut funktioniert hat, und dann mutig etwas auszuprobieren. Geschichten aus dem Betrieb sind das A und O. Wenn beispielsweise erzählt wird, dass der Lernende ein Dessert kreiert hat, ist dies eine Geschichte. Damit transportiert man das Thema «hausgemacht», ohne es proaktiv zu kommunizieren. Man kann auch auf die Lieferanten Bezug nehmen oder die Art und Weise, wie das Gericht verarbeitet wird.
Welche drei Haupterwartungen haben Gäste an ihren Besuch in einem Restaurant?
Die grösste Erwartung ist, dass sie etwas erleben möchten. Einfach nur satt werden kann man auch zuhause. Die zweite Erwartung ist, dass sie Dinge sehen, die sie nicht kennen oder selber können – also dass wir unser Handwerk näherbringen, auch das ist «hausgemacht». Und die dritte Erwartung ist, dass es gut und schön aussehen sowie sympathisch präsentiert werden soll. Und der Gast soll auf jeden Fall auch spüren, dass wir mit Freude bei der Sache sind.
Sie sprudeln vor Ideen. Was steht als Nächstes an?
Vor Kurzem haben wir mit dem Restaurant «Zur Werkstatt» in Zürich die erste Stadtkäserei eröffnet. Hier in eine neue Welt einzutauchen, fasziniert mich. Ich freue mich sehr darauf, das Thema Käse mitten in dieses urbane Umfeld zu bringen und neu zu denken, indem wir zurück an den Ursprung der Milchprodukte gehen.
* Erkenntnisse aus zwei Studien: GastroSuisse, «Hausgemacht», Branchenspiegel 2019 und Swiss Food Service Forum, 2018.
Convenience auf der Spur – die Analyse
An der letztjährigen HOCHGENUSS präsentierte Simone Müller-Staubli die Analyse «Convenience auf der Spur». Die treffenden Erkenntnisse setzen sich aus den zwei Studien von GastroSuisse und dem Swiss Food Service Forum, 2018 zusammen.
Werfen Sie einen Blick in die Analyse und erfahren Sie, in welche Richtung die Trends gehen und welche Erwartungen Konsumenten an die Gastronomie haben.
Rössli hü
Was sich über Generationen bewiesen hat
Im «Rössli hü» werden regionale Produkte verarbeitet, wenn sie Saison haben, und mittels traditioneller Methoden konserviert: mit Salz, Zucker, Essig, Öl oder durch Einkochen, Dörren, Räuchern und Fermentieren. Sie erscheinen kreativ präsentiert auf der Speisekarte und prägen das Konzept, das sorgfältig auf das Haus abgestimmt ist.
Historisches Restaurant des Jahres 2020
Im Rössli hü wird auf kreative Weise Altbewährtes und Neukreiertes in Verbindung gebracht. So wurde der verfallene Bau in liebevoller Detailarbeit renoviert und mit einem neuen Anbau komplettiert. Verstaubte Stühle wurden aus dem Schopf hervorgeholt, restauriert und mit modernen Stühlen ergänzt. Alte Schiefertische, die schon im Rössli anno dazumal Zeuge von angeregten Stammtischgesprächen waren, werden aufgefrischt und mit Schiefertischen aus dem Hier und Jetzt kombiniert. So erhält das 2019 eröffnete Lokal bereits im ersten Betriebsjahr die bedeutende Auszeichnung als «Historisches Restaurant des Jahres 2020».
Über Simone Müller-Staubli
Die Leidenschaft für die Gastronomie begleitet sie seit ihrer Kindheit. Schon damals wusste sie, dass sie einmal die Hotelfachschule Lausanne besuchen würde. Später ergänzte sie ihren Ausbildungsweg durch einen Master in Marketing. Als leidenschaftliche Gastronomin ist sie Geschäftsführerin mehrerer Restaurants und Mitinitiantin der Gastro- und Hotelagentur Schatz AG. Sie isst gerne und oft auswärts und geniesst es, Zeit draussen und bei sportlichen Aktivitäten zu verbringen.
Fotos: © Switzerland Tourism / Andre Meier