Schon als Kind wollte er Wildhüter werden – inzwischen ist Roger Zogg Jäger geworden und bringt seine Leidenschaft aus Wald und Bergen in die Gastronomie ein. Wir wollten von ihm wissen, wie man Wild richtig jagt, verarbeitet und geniesst.

Roger Zogg, Sie sagten einmal, Sie seien kein Trophäenjäger. Was ist die Jagd für Sie?

Ich erlege schon auch mal einen Trophäenträger mit eindrücklichem Geweih, aber ich bin total dagegen, Jagen als Sport zu betreiben. Für mich geht es dabei um Respekt vor der Natur, um eine wechselseitige Beziehung. Mir liegt etwa die Artenvielfalt am Herzen. Die Lebensräume der Tiere sind heute eingeschränkt und beschädigt, und man kann es nicht den Wölfen und Luchsen überlassen, sie zu regulieren. Sonst kommt es zu Monokulturen und Inzucht, Arten sterben aus. Dagegen tut man nichts, wenn man einfach Kapitalhirsche jagt. 

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Zur Person

Roger Zogg

Der gebürtige Walenstädter ging schon als Kind mit seinem Grossvater auf die Pirsch und hat seit rund 30 Jahren die Jagdlizenz. Seit 2017 verkauft die mit seiner Partnerin gegründete Firma «Wilde 13» Wildspezialitäten aus eigener Jagd an die Gastronomie. Zur Kundschaft gehören Spitzenköche wie Andreas Caminada, Silvio Germann und Sven Wassmer.

wildedreizehn.com

Was ist zu beachten, wenn man Wild für die Lebensmittelproduktion schiesst?

Erstens finde ich die Treibjagd grundsätzlich nicht gut: Das Fleisch ist dann voller Stresshormone und schmeckt bitter. Auch brunftige männliche Tiere schmecken unerfreulich. Zweitens schiesse ich mit bleifreier Munition, um das Fleisch nicht zu verunreinigen. Drittens: Sobald das Wild erlegt ist, muss man es «aufbrechen». Magen, Herz, Nieren und Leber nehmen wir heraus, und die restlichen Innereien lassen wir liegen, die sind am nächsten Tag weg. Dann kommt das Wichtigste: die Kühlkette. Wir hängen das Wild gleich in der Jagdhütte in einen Kühlraum. Nach vier bis fünf Tagen bringen wir es in einem gekühlten Anhänger in die Metzgerei. Der Metzger zieht dem Tier das Fell ab, und ein Tierarzt nimmt eine Probe, um zu prüfen, ob alles in Ordnung ist. Ich jage hauptsächlich Gämsen, Steinböcke, Hirsche, Rehe sowie teilweise Murmeltiere. Und obwohl bei Pflanzenfressern wie diesen eine solche Probe nicht vorgeschrieben ist, lassen wir sie immer machen. 

Gibt es Fehler, die Sie in Küchen bei der Wildverarbeitung immer wieder entdecken?

Ab und zu sehe ich, dass Leute ganze Tiere mitsamt «Decke», also mitsamt Fell, kaufen und in der Küche verarbeiten. Wenn das ein Lebensmittelkontrolleur sieht, macht er die Küche zu, und als Lieferant bekomme ich auch eine Busse – das verstösst gegen die Hygienevorschriften. Der Metzger soll metzgen und der Koch kochen. Ebenfalls wichtig: Das fettarme Wildfleisch sollte man nicht bei mehr als 50 Grad garen, wenn man es sous-vide verpacken will – es wird sonst labberig.

Was würden Sie Köchinnen und Köchen, die Wild zubereiten, auf den Weg geben wollen?

Ich habe grösste Ehrfurcht vor Metzgern und Köchen. Als ich noch als Architekt arbeitete und auf etwas keine Lust hatte, konnte ich sagen: «Verschieben wir das auf morgen.» Dem Gast aber ist es egal, ob der Koch einen schlechten Tag hat – hier herrscht ein extremer Druck. Meine Erwartung an Köchinnen und Köche ist, dass sie den Tieren Respekt erweisen. Dazu gehört auch: Wildtiere haben nicht nur einen Rücken. Rücken oder Entrecôte kann jeder zubereiten, aber einen guten Wildpfeffer machen nicht mehr viele. Wildfleisch bereiten die meisten in der Schweiz auf dieselbe Weise zu, meist mit Butter und der einen oder anderen Würzmischung.

Sie experimentieren gern – haben Sie einen Geheimtipp, was Wildbeilagen anbelangt?

Ich mag dazu Bramata mit einem Alpkäse. Auch Capuns mache ich gerne zum Wild. Früher hat man Federkohl dazu serviert – das ist aber nicht mehr in Mode. Früher hat man halt genommen, was zur Herbstzeit vorhanden war, auch Äpfel, Birnen oder etwas Eingelegtes.

Ich bin total dagegen, Jagen einfach als Sport zu betreiben.

Roger Zogg

Architekt, Jäger und Feinkostproduzent

Im Gespraech roger zogg mit hund am wandern
Wenn ich zehn Pirschgänge mache, kann ich vielleicht auf dem achten etwas Passendes erlegen.

Roger Zogg

Architekt, Jäger und Feinkostproduzent

Können Sie die Nachfrage mit dem, was Sie allein schiessen, decken?

Es braucht viel, bis man ein Tier erlegen kann. Man muss die Wiesen pflegen, auf Geräusche achten, Spuren lesen. Die Leute denken, als Jäger gehe man einfach in den Wald, schiesse zehn Tiere und gehe wieder nach Hause. Wenn ich zehn Mal auf die Pirsch gehe, kann ich vielleicht auf dem achten Pirschgang etwas Passendes erlegen – und was ich erlege, hängt zusätzlich von der Jahreszeit ab. Zudem trage ich die Tiere selbst ins Tal, ohne Helikopter. Ich kann die Nachfrage daher nicht allein decken. Meine eigenen Jagdreviere liegen im Grossen Walsertal im Vorarlbergischen an der Schweizer Grenze, und ich bekomme zusätzlich Wild von Kollegen aus Graubünden, dem St. Galler Oberland und dem Glarnerland. 

Ihre Geschäftspartnerin Michelle Corrodi bezeichnete Sie einmal als «Ideen-Feuerwerk», das bisweilen gebremst werden müsse. Welche Ideen haben Sie für die Zukunft Ihres Unternehmens?

Wir sind aktuell mit unserem Hirsch-Fleischkäse beschäftigt. Die Leute wollen immer weniger Schweinefleisch, und darum machen wir jetzt verschiedene Produkte mit reinem Wildfleisch. Ich habe auch Wildschweinspeck von Kollegen eingekauft. Damit entwickeln wir nun Würste. Es sind auch schon Ideen gescheitert, wie eine Salami, die innen nicht fest wurde, da wir generell kein Nitritpökelsalz verwenden. Die mussten wir dann in unserer höchsten Jagdhütte auf 2000 Metern trocknen.

Im Gespraech roger zogg ausblick
Auf dem Hochsitz kann man seine Gedanken reinigen.

Roger Zogg

Architekt, Jäger und Feinkostproduzent

Worin sehen Sie das Erfolgsgeheimnis Ihrer Firma?

Vermutlich ist es die Leidenschaft. Ich liebe die Natur und die Tiere über alles. Bereits als Kind wollte ich Wildhüter werden, aber mein Vater meinte, ich müsse etwas Richtiges lernen. Darum bin ich Architekt geworden. Aber die Leidenschaft habe ich in meinem Herzen immer bewahrt. 2013 wäre ich aufgrund eines Hirnschlags beinahe gestorben und musste umdenken. So kam ich zurück auf meine Liebe zum Wild. Auf dem Hochsitz kann man seine Gedanken reinigen; man muss stets bereit sein, den Vögeln, Rehen, Hasen lauschen, kann nicht auf dem Handy herumspielen. Die Eindrücke, die ich da jeweils sammle, wollte ich in eine Wurst verpacken und so mit den Leuten in den Städten teilen.

Was auch geschätzt wird, ist das Thema Nachhaltigkeit: Die Leute wollen immer mehr wissen, woher Produkte kommen, welche Wege sie hinter sich haben. Ich kann bei jedem Tier, das ich verkaufe, einen Herkunftsnachweis mit den Koordinaten der Erlegung und den Zeitstempeln der Verarbeitung erbringen. Allerdings schreiben wir immer noch rote Zahlen. Wir verpacken alles in Handarbeit. Unsere Sachen sind Nischenprodukte; mit dem Zuchtfleisch kann ich nicht mithalten. Ich will das aber auch nicht anders.

Bilder: Jessica Wirth

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Raphael Dorigo

Autor

Als Sprachgourmet kreiere ich leidenschaftlich Texte, die mehr sind als Wortsalat.

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